Ginge es nur nach der herrschenden Klasse, wäre die Wahl entschieden: Laut Allensbach-Elite-Panel sind 63 Prozent der Spitzenkräfte in Wirtschaft, Politik und Verwaltung für Armin Laschet als nächsten Bundeskanzler. 18 Prozent wollen Olaf Scholz. 7 Prozent wollen Annalena Baerbock. Befragt wurden 501 Führungsspitzen vom 5.-30. Juli. 70 Prozent kamen aus der Wirtschaft, darunter Vorstände von 93 Unternehmen mit mehr als zwanzigtausend Beschäftigten. 21 Prozent kamen aus der Politik und 9 Prozent aus der Verwaltung. Es könnte sich um einen repräsentativen Querschnitt der staatsmonopolistischen Oligarchie gehandelt haben.
Bekanntlich war Laschets Aufstieg zum Kanzlerkandidaten der
Hauptpartei des Monopolkapitals umkämpft. Der Favorit des CDU-Wirtschaftsrats Friedrich
Merz unterlag Laschet bei der Wahl zum CDU-Vorsitz. Gegen Söder als
Kanzlerkandidaten schlugen Merz und der Wirtschaftsrat sich aber auf die Seite
Laschets. Im Gegenzug rief Laschet auf dem jüngsten Jahrestag des
Wirtschaftsrats Merz zum „wirtschafts- und finanzpolitischen Gesicht“ seiner
künftigen Regierung aus. Merkels amtierender Wirtschaftsminister Altmaier blieb
dem Jahrestreffen gleich fern. Zuvor hatte eine aktuelle Mitgliederbefragung im
Wirtschaftsrat mit 82 Prozent der FDP (statt der CDU) ein „gutes oder sehr
gutes Wirtschaftsprofil“ attestiert.
Astrid Hamker, Unternehmerin und Präsidentin des Wirtschaftsrats, urteilt: „Die Wirtschaftskompetenz der Union ist nach zweimal großer Koalition erodiert“. Ähnlich sehen es im Wahljahr die Großspender. Die FDP bekam bis August 3,2 Millionen Euro, die CDU nur 2,8 Millionen. An die Grünen gingen 1,9 Millionen. Mit so viel Vertrauensvorschuss kletterten die Umfragewerte der FDP auf 13 Prozent. Das sichert den Freunden des Großkapitals aus CDU/CSU und/oder FDP die Regierungsbeteiligung in den wahrscheinlichsten Koalitionsvarianten Jamaika oder Ampel.
Nur hunderttausend Euro Großspenden bekam die SPD. Anders
als im Fall der Grünen glaubten die „Entscheider“ bis Jahresmitte, dass sie nicht
mehr in die Regierung kommt. Erst im August überholte Vizekanzler Scholz im
Rennen um die Merkel-Nachfolge Laschet und Baerbock. Das half der SPD. Lindner und
die FDP setzen freilich weiterhin auf Laschet. Für die Ampel-Koalition fehle ihnen
„die Phantasie“. Sie zu erwecken, müssen SPD und Grüne in der Wirtschafts- und
Sozialpolitik weiter nach rechts rücken. In der Außenpolitik sind schwarz,
gelb, grün und rosa ohnehin einig, weiter aufzurüsten sowie EU und NATO zu
stärken.
Eine Mehrheit der Bundesbürger hält den Wahlausgang für
„offen“. Die Propaganda der bürgerlichen Medien, die mit immer neuen
Farbkombinationen möglicher Koalitionen eine politische Vielfalt vorgaukelt,
die nicht wirklich existiert, verfing. Real bestimmt hinter der bunten Fassade
die Monopolbourgeoisie die Politik über ihre direkten Parteien CDU und FDP mit.
SPD und Grüne als Juniorpartnerinnen binden die oberen Schichten der
Arbeiterklasse und die lohnabhängigen Mittelschichten dabei ein. Mit vier
„regierungsfähigen“, miteinander koalierenden, neoliberalen NATO-Parteien plus
der AfD als Auffangbecken für Unzufriedene ist die politische Monopolherrschaft
in der BRD trotz ökonomischer Krisen relativ stabil.
Die „Wirtschaft“ drängt auf Steuersenkungen, auf
„Entfesselung“ der Profite, auf Abwälzung der Lasten von Krisen und
ökologischem Umbau auf die Massen, auf die Rente mit 70. Eine Reichensteuer,
ein zum Leben ausreichender Mindestlohn, Mietpreisstopp und mehr Geld für das
Gesundheitswesen – solche Forderungen werden nicht durch Kompromisse in Koalitionsverhandlungen,
sondern nur im Klassenkampf von unten und mit breiten sozialen Bewegungen
durchsetzbar sein, egal welche der vier „regierungsfähigen“ Parteien die
nächste Koalition formal anführen wird.
Kolumne von Beate Landefeld, zuerst erschienen in der UZ vom 10.09.2021
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