Donnerstag, 22. Juli 2010

22.07.2010: Monopolistischer Kapitalismus

22.07.2010: Verstärkte Konkurrenz (Tageszeitung junge Welt)

Die nationale Bourgeoisie und die Staatsregierung drücken der Arbeiterklasse Standortbedingungen auf, um den globalen Wettbewerb anzuführen

Von Beate Landefeld 
Das DKP-Programm enthält eine knappe Kapitalismusanalyse. Danach kam es um das Jahr 1900 herum zu einer Strukturdifferenzierung des Gesamtkapitals. Damals bildeten sich auf breiter Front markt- und produktionsbeherrrschende Konzerne, Monopole heraus und leiteten jenes Stadium des Kapitalismus ein, welches im Anschluß an Rudolf Hilferding, Lenin, Rosa Luxemburg und Nikolai Bucharin seither als Monopolkapitalismus oder Imperialismus bezeichnet wird.
Monopole entstehen durch Konzentration und Zentralisation aus der Konkurrenz und als Reaktion auf Produktivkraftentwicklung und Krisenprozesse. Sie sind eine Form der Vergesellschaftung der Produktion noch unter den Bedingungen von kapitalistischer Warenproduktion und Privateigentum. Lenin und andere Theoretiker sahen im monopolistischen Kapitalismus daher das »höchste Stadium« des Kapitalismus, das in mancher Hinsicht »Züge einer Übergangsgesellschaft« zum Sozialismus trage.
Die Vorstellung des »höchsten Stadiums« verband sich zur Zeit der Entstehung der marxistischen Imperialismustheorie mit der Erwartung einer baldigen sozialistischen Weltrevolution. Der Versuch blieb auf die Oktoberrevolution beschränkt. Manche schließen daraus, der Imperialismus sei eben doch nicht das »höchste«, sondern ein »ziemlich frühes« Stadium des Kapitalismus gewesen.

Nach Lenin treibt der Monopolkapitalismus die Vergesellschaftung der Produktion bis zu der Grenze voran, die unter privatkapitalistischen Bedingungen noch möglich ist. Es geht um die innere Logik der Entfaltung des Grundwiderspruchs zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung. Das ist nicht dasselbe, wie die Vorhersage konkreter historischer Abläufe, auch wenn beides spontan oft vermengt wird.
Zu den Zügen des monopolistischen Kapitalismus rechnete Lenin neben der Monopolherrschaft in Industrie, Handel und Finanzen auch die Zunahme von Staatseingriffen. Der staatsmonopolistische Kapitalismus bildete sich in Westeuropa hauptsächlich nach 1945 heraus, unter den Bedingungen der Systemkonkurrenz und eines relativ erfolgreichen Kampfes der Arbeiterbewegung für soziale und demokratische Rechte. Die »30 goldenen Jahre des Kapitalismus« von 1945 bis zur Krise 1974/75 haben tiefe Spuren im Denken des sozialdemokratisch orientierten Teils der Arbeiterbewegung hinterlassen.
Nicht wenige Gewerkschafter und Linke sehen in der heutigen Gesellschaft der BRD eine Art von »organisiertem Kapitalismus«. Diese Idee hatte Hilferding aus dem monopolistischen Stadium abgeleitet. Nach seiner Rückkehr zur SPD 1920 trat er für einen »demokratischen Sozialismus« durch »Ausweitung der Demokratie auf die Wirtschaft« ein.
Im Unterschied dazu blieb Lenin strikt bei dem Grundgedanken von Marx und Engels, die im Widerspruch zwischen der Planmäßigkeit im Unternehmen und der Anarchie auf den Märkten einen wesentlichen Antrieb für das krisenhafte Wachstum und die historische Begrenzung der kapitalistischen Produktionsweise sahen. Danach löst Vergesellschaftung unter kapitalistischen Bedingungen die Widersprüche des Systems nicht, sondern reproduziert sie auf höherer Stufe.
Das »letzte Wort der kapitalistischen Akkumulation« sei die Notwendigkeit der proletarischen Revolution, meinte auch Rosa Luxemburg. Bei der Gründung der KPD 1919 erklärte sie: »Wir sind wieder bei Marx!« 92 Jahre später muß die DKP in diesen Grundfragen bei Marx bleiben, will sie sich nicht selbst überflüssig machen!

National basierte Monopolgruppen

Monopolistische Planung kann letztlich weder die Gesetze der kapitalistischen Warenproduk­tion noch die Spontaneität des Marktes aufheben. Auch Staatseingriffe verlagern die Widersprüche nur. Zwar mildert das bürgerliche Krisenmanagement den Verlauf von Krisen, schwächt damit aber zugleich deren »Reinigungsfunktion« und bereitet größere chronische Krisen vor.
In der Krise 1974/75 hatte sich das Wachstumsregime der »30 goldenen Jahre des Kapitalismus« erschöpft. Die nachholende Entwicklung nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges war beendet, es kam wieder zu Überakkumulation und einer Profitklemme. Der Ausweg wurde in der verstärkten Weltmarktorientierung, in Spekulation statt Investition, in Deregulierung, Privatisierung und Umverteilung von unten nach oben gesucht. Dieses heute als Neoliberalismus bezeichnete Kapitalverwertungsregime enthält ein Bündel klassischer Methoden der Bourgeoisie, um dem Fall der Profitrate entgegenzuwirken. Im harten Klassenkampf von oben wurde es Zug um Zug in den kapitalistischen Ländern durchgesetzt.
Auch wenn die Profite wieder stiegen – die Widersprüche wurden nicht gelöst! Vielmehr sammelten sich in der neoliberalen Phase die großen weltweiten chronischen Ungleichgewichte an, die in der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise nach einer Balance suchen: Das sind die Disproportionen zwischen einem spekulativ aufgeblähten Finanzsektor und der Realwirtschaft, zwischen Exportweltmeistern und Schuldnerländern, zwischen arm und reich weltweit und im Innern der reichen Länder.
Auch in Deutschland sind die Reichen reicher und zahlreicher geworden. Die Bourgeoisie hat sich nicht aufgelöst, ihre führenden Gruppen haben sich mit Hilfe des Staates und durch Aufkündigung von früher eingegangenen Klassenkompromissen für die Weltmarktkonkurrenz fit gemacht. Sie sehen sich als »Gewinner der Globalisierung«.
»Globalisierung« erweist sich als widersprüchlicher Prozeß von Konkurrenz und Kooperation, Verflechtung und Ausgliederung, Zentralisation und Bildung neuer Zweige und Monopole. Obwohl internationale Arbeitsteilung und gegenseitige Abhängigkeit sich vertiefen, kommt es nicht zu einer Angleichung, sondern zu verstärkter Ungleichmäßigkeit. Die Uneinigkeit bei den Krisengipfeln, ob G 20 oder Euro-Zone, spiegelt unterschiedliche Interessen der Bourgeoisien und national basierter Monopolgruppen, unterschiedliche Stellungen der Nationalökonomien in der internationalen Arbeitsteilung und unterschiedliche Klassenverhältnisse in den Staaten wider.
Die USA verfügen über uneinholbare militärische Dominanz und sind zugleich größter Schuldner der Welt. Der Aufstieg der »Schwellenländer« bietet den Mächten des »atlantischen Bündnisses« Marktchancen und ist zugleich eine politische Herausforderung. Bei anhaltender Unfähigkeit der reichen Länder, Auswege aus der Krise zu finden, wächst die Gefahr, daß sie versuchen, innere Widersprüche durch Chauvinismus und Aggressivität nach außen zu verlagern.

»Projekt Wende«

»Blasenökonomie« und Finanzkrisen, Kriege, die Ökologie- und Ernährungskrise zeigen: Die parasitären und zerstörerischen Seiten des Imperialismus prägen sich weiter aus. Daran ändern auch die Innovationen des »High-Tech-Kapitalismus« nichts. Sozialismus ist notwendig, darin ist die DKP einig. Doch wie kommen wir dahin?
Arbeiterbewegung und Lohnabhängige sind in der Defensive. Der Spielraum für Erfolge scheint eng zu sein. Der kleinste Erfolg, selbst nur die Verteidigung des Erreichten, erfordert Massenaktivität, vor allem die Mobilisierung durch Gewerkschaften. »Herkömmliche soziale und demokratische Reformen rücken so näher an die Notwendigkeit grundlegender antimonopolistischer Umgestaltungen heran« (DKP-Programm).
Ein anhaltender und entschiedener Massenkampf um Reformen könnte an eine revolutionäre Situation heranführen. Sie wäre mehr als ein Regierungswechsel. Ohne Wechsel in der Klassenmacht, ohne politische Macht der Arbeiterklasse im Bündnis mit anderen Demokraten, ohne gesellschaftliches Eigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln, ist Sozialismus nicht machbar. Unter den bisherigen Macht- und Eigentumsverhältnissen der BRD hat es vermeintlichen »Sozialismus« nur als »soziale Marktwirtschaft« des rheinischen Kapitalismus, als Versprechen des »demokratischen Sozialismus« durch Willy Brandt und als Sozialisierung von Verlusten gegeben.
Über Sozialismus zu diskutieren, ist nötig. Ihn als unmittelbares Aktionsziel zu deklarieren, geht am Bewußtsein der Massen vorbei. Sie werden nur durch eigene Erfahrungen und Erfolge das Selbstvertrauen und die Fähigkeit entwickeln, die sie im Kampf um Sozialismus brauchen. Das Programm der DKP sieht die Durchsetzung einer Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt als strategisches Ziel der gegenwärtigen Etappe an.
Dazu gehören Reformen, die seit den 80er Jahren von Gewerkschaften und Bewegungen diskutiert und von den Herrschenden blockiert werden, wie die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Das »Projekt Wende« wäre noch kein Sozialismus, aber ein Übergang von der Defensive zur Offensive, nicht nur punktuell, sondern im gesellschaftlichen Maßstab. Dabei könnte Gegenmacht entstehen und ein Weg zum Sozialismus geöffnet werden.
Beate Landefeld ist Mitherausgeberin der Marxistischen Blätter
22.07.2010: Verstärkte Konkurrenz (Tageszeitung junge Welt)

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