Freitag, 23. Juli 2010
Walter Listls Zahlen zu den DAX-Konzernen
"DAX-Konzerne mehrheitlich in ausländischer Hand" schrieb oft die bürgerliche Presse, aber auch das ISW. Walter Listl meint: „fast mehrheitlich”. Die Meldung verkündete zuerst das Handelsblatt vom 17.12.2007. Danach waren im Durchschnitt 52,6% der Aktien der 30 DAX-Konzerne in ausländischem Besitz. Da wurde jedoch mit der falschen Zahlenbasis gerechnet. Die Angaben treffen nur auf die frei handelbaren Aktien zu. Da können sich Prozentgrößen ergeben, die nichts über die Machtverhältnisse im Konzern aussagen. Beispiel: Die Merck KGaA ist mit ca. 70% in Clanbesitz, nur 30% der Aktien sind frei handelbar.
Dennoch erscheint sie auf der Liste mit 57% Anteil von Aktien im Besitz von Ausländern.
Doch nehmen wir mal an, die Zahl würde stimmen. Dann wären bei einer Hauptversammlungspräsenz von 50,7% (Durchschnitt 2005-2007) und deutschen Anteilen von 47,4% (100 minus 52,6) die 30 DAX-Konzerne fest in „deutscher Hand”, denn es ist unwahrscheinlich, dass die ausländischen Aktionäre, die sich über viele Länder verteilen, auf der Hauptversammlung geballt erscheinen und in umstrittenen Fragen (die es ohnehin selten gibt) einheitlich abstimmen.
Bei einer Hauptversammlungspräsenz von etwa 50% genügen 26% für Mehrheitsbeschlüsse. Tatsächlich kommt es äußerst selten vor, dass bei Firmen in Streubesitz das Management überstimmt wird. Der spektakuläre Fall der Deutschen Börse 2005, als große Hedge-Fonds den Plan einer Übernahme der London Stock Exchange vereitelten, war eine seltene Ausnahme, die in der Wirtschaftspresse breit diskutiert wurde. Konzernführungen auch anderer Aktiengesellschaften zogen aus dem Vorfall die Lehre, dass mehr Sorgfalt auf die „Pflege der Aktionärsstruktur” und auf „investors relations” (Kontakte zu wichtigen Stimmrechtehaltern) zu verwenden sei.
In der Realität sagt die breite Streuung der Aktien wenig über die Macht in Konzernen aus. Möglichst breite Streuung, auch über viele Länder hinweg, bedeutet dezentrale Mobilisierung von Kapital und geht oft mit der Zentralisierung von Macht und Kontrolle bei wenigen Haltern der Stimmrechte einher. Das Beteiligungssystem wird seit mehr als 100 Jahren genutzt, um breiteste Mobilisierung von Kapital mit zunehmender Konzentration und Zentralisation des Eigentums zu verbinden.
Das Vermögen von Deutschen im Ausland ist mehr als doppelt so hoch wie das von Ausländern in Deutschland.1) Die Schlagzeile von "deutschen Firmen in fremder Hand" klärt nicht auf, sondern trägt zur Anonymisierung von Macht und Reichtum bei, in einem Land, das zu den reichsten der Welt zählt und eine hohe Milliardärs- und Millionärsdichte aufweist. Die wichtigste Vermögensquelle der deutschen Milliardäre ist in der Regel großer Anteilsbesitz an Konzernen.2)
Auch die Deutsche Bank sieht Walter Listl in der Hand von Auslandseigentümern. Das scheint allerdings von Jahr zu Jahr zu wechseln, wenn man die Aktienstreuung zum Maßstab nimmt. Als 2008 die Deutsche Post Großaktionärin der Deutschen Bank war, waren 55% der Aktien in "deutscher Hand". Die Post verkaufte im Sommer 2009 ihren Anteil wieder. Doch auch ohne Post wurden auf der Jahreshauptversammlung 2010 fast alle Beschlüsse des Managements mit mehr als 90% Ja-Stimmen verabschiedet, bis auf den zur Vergütung der Spitzenmanager. Der bekam nur 58% Ja-Stimen. An den Machtverhältnissen scheint sich durch den Ausstieg der Deutschen Post also nichts geändert zu haben.
Dreiviertel der Aktionäre der Deutschen Bank sind institutionelle Anleger (Versicherungen, deren Fonds, Publikums- und Spezialfonds anderer Banken, Anlegervereinigungen, Kirchen, etc.) 46% waren 2009 deutsche Investoren (2008: 55%, 2007: unter 50%). Die übrigen Aktionäre verteilen sich auf viele Länder: an erster Stelle die USA (16%), darüber hinaus die Schweiz, Luxemburg, Frankreich, GB, Spanien, Österreich, Emirate, etc. 2009 betrug die Hauptversammlungspräsenz 35,1% der stimmberechtigten Aktionäre. 18% hätten also genügt, die HV zu majorisieren. Die Kontrolle der Deutschen Bank liegt fest in den Händen des deutschen Finanzkapitals.
Dieses kooperiert und konkurriert mit dem internationalen Finanzkapital. Dabei kann es besonders in Krisen auf die Unterstützung des deutschen Staates rechnen, wie im Fall der Bankenrettungspakete, an deren Ausgestaltung Josef Ackermann, ebenso wie seine Kollegen von der Commerzbank, dem Bundesverband deutscher Banken und dem Allianz-Konzern maßgeblich mitwirkten.
Fußnoten:
1)Laut Bundesbankstatistik betrugen die Bestände an ausländischen Direktinvestitionen in der BRD 2006 konsolidiert 439 Mrd. Euro, die BRD-Bestände im Ausland im gleichen Jahr 811 Mrd. €. Der Stern berichtet für 2005 von 390 Mrd. ausländischem Investitionsbestand in der BRD bei 840 Mrd. deutschem Investitionsbestand im Ausland. Vgl. "Wem gehört Deutschland?" Stern 6-2008 vom 31.1.2008, S. 57 und S. 69.
2)Vgl. Vermögensquellen der deutschen Milliardäre, unter: http://www.alice-dsl.net/maschessen/Texte.html
Dennoch erscheint sie auf der Liste mit 57% Anteil von Aktien im Besitz von Ausländern.
Doch nehmen wir mal an, die Zahl würde stimmen. Dann wären bei einer Hauptversammlungspräsenz von 50,7% (Durchschnitt 2005-2007) und deutschen Anteilen von 47,4% (100 minus 52,6) die 30 DAX-Konzerne fest in „deutscher Hand”, denn es ist unwahrscheinlich, dass die ausländischen Aktionäre, die sich über viele Länder verteilen, auf der Hauptversammlung geballt erscheinen und in umstrittenen Fragen (die es ohnehin selten gibt) einheitlich abstimmen.
Bei einer Hauptversammlungspräsenz von etwa 50% genügen 26% für Mehrheitsbeschlüsse. Tatsächlich kommt es äußerst selten vor, dass bei Firmen in Streubesitz das Management überstimmt wird. Der spektakuläre Fall der Deutschen Börse 2005, als große Hedge-Fonds den Plan einer Übernahme der London Stock Exchange vereitelten, war eine seltene Ausnahme, die in der Wirtschaftspresse breit diskutiert wurde. Konzernführungen auch anderer Aktiengesellschaften zogen aus dem Vorfall die Lehre, dass mehr Sorgfalt auf die „Pflege der Aktionärsstruktur” und auf „investors relations” (Kontakte zu wichtigen Stimmrechtehaltern) zu verwenden sei.
In der Realität sagt die breite Streuung der Aktien wenig über die Macht in Konzernen aus. Möglichst breite Streuung, auch über viele Länder hinweg, bedeutet dezentrale Mobilisierung von Kapital und geht oft mit der Zentralisierung von Macht und Kontrolle bei wenigen Haltern der Stimmrechte einher. Das Beteiligungssystem wird seit mehr als 100 Jahren genutzt, um breiteste Mobilisierung von Kapital mit zunehmender Konzentration und Zentralisation des Eigentums zu verbinden.
Das Vermögen von Deutschen im Ausland ist mehr als doppelt so hoch wie das von Ausländern in Deutschland.1) Die Schlagzeile von "deutschen Firmen in fremder Hand" klärt nicht auf, sondern trägt zur Anonymisierung von Macht und Reichtum bei, in einem Land, das zu den reichsten der Welt zählt und eine hohe Milliardärs- und Millionärsdichte aufweist. Die wichtigste Vermögensquelle der deutschen Milliardäre ist in der Regel großer Anteilsbesitz an Konzernen.2)
Auch die Deutsche Bank sieht Walter Listl in der Hand von Auslandseigentümern. Das scheint allerdings von Jahr zu Jahr zu wechseln, wenn man die Aktienstreuung zum Maßstab nimmt. Als 2008 die Deutsche Post Großaktionärin der Deutschen Bank war, waren 55% der Aktien in "deutscher Hand". Die Post verkaufte im Sommer 2009 ihren Anteil wieder. Doch auch ohne Post wurden auf der Jahreshauptversammlung 2010 fast alle Beschlüsse des Managements mit mehr als 90% Ja-Stimmen verabschiedet, bis auf den zur Vergütung der Spitzenmanager. Der bekam nur 58% Ja-Stimen. An den Machtverhältnissen scheint sich durch den Ausstieg der Deutschen Post also nichts geändert zu haben.
Dreiviertel der Aktionäre der Deutschen Bank sind institutionelle Anleger (Versicherungen, deren Fonds, Publikums- und Spezialfonds anderer Banken, Anlegervereinigungen, Kirchen, etc.) 46% waren 2009 deutsche Investoren (2008: 55%, 2007: unter 50%). Die übrigen Aktionäre verteilen sich auf viele Länder: an erster Stelle die USA (16%), darüber hinaus die Schweiz, Luxemburg, Frankreich, GB, Spanien, Österreich, Emirate, etc. 2009 betrug die Hauptversammlungspräsenz 35,1% der stimmberechtigten Aktionäre. 18% hätten also genügt, die HV zu majorisieren. Die Kontrolle der Deutschen Bank liegt fest in den Händen des deutschen Finanzkapitals.
Dieses kooperiert und konkurriert mit dem internationalen Finanzkapital. Dabei kann es besonders in Krisen auf die Unterstützung des deutschen Staates rechnen, wie im Fall der Bankenrettungspakete, an deren Ausgestaltung Josef Ackermann, ebenso wie seine Kollegen von der Commerzbank, dem Bundesverband deutscher Banken und dem Allianz-Konzern maßgeblich mitwirkten.
Fußnoten:
1)Laut Bundesbankstatistik betrugen die Bestände an ausländischen Direktinvestitionen in der BRD 2006 konsolidiert 439 Mrd. Euro, die BRD-Bestände im Ausland im gleichen Jahr 811 Mrd. €. Der Stern berichtet für 2005 von 390 Mrd. ausländischem Investitionsbestand in der BRD bei 840 Mrd. deutschem Investitionsbestand im Ausland. Vgl. "Wem gehört Deutschland?" Stern 6-2008 vom 31.1.2008, S. 57 und S. 69.
2)Vgl. Vermögensquellen der deutschen Milliardäre, unter: http://www.alice-dsl.net/maschessen/Texte.html
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