Auszüge aus seinen Werken vor und nach der Oktoberrevolution
1. Was tun? 1903 (LW5)
Wir
haben gesagt, dass ein Sozialdemokrat, der nicht nur in Worten für
die Notwendigkeit einer allseitigen Entwicklung des politischen
Bewusstseins des Proletariats eintritt, „in alle Klassen der
Bevölkerung gehen“ muss. Es entstehen die Fragen: Wie ist das zu
machen? Haben wir die Kräfte dazu? Ist der Boden für eine solche
Arbeit in allen übrigen Klassen vorhanden? Wird das nicht eine
Preisgabe des Klassenstandpunkts bedeuten oder zu einer Preisgabe des
Klassenstandpunkts führen? […] Wir
haben weder ein Parlament noch Versammlungsfreiheit, aber wir
verstehen es dennoch, Versammlungen von Arbeitern zu veranstalten,
die einen Sozialdemokraten
hören
wollen. Wir müssen es auch verstehen, Versammlungen von Vertretern
aller Bevölkerungsklassen zu veranstalten, die nur einen Demokraten
hören
wollen.
Denn der ist kein Sozialdemokrat, der in der Praxis vergisst,
daß „die Kommunisten überall jede revolutionäre Bewegung
unterstützen“, daß wir daher verpflichtet sind, vor
dem ganzen Volke die allgemein demokratischen Aufgaben
darzulegen
und hervorzuheben, ohne auch nur einen Augenblick unsere
sozialistischen Überzeugungen zu verheimlichen. Der ist kein
Sozialdemokrat, der in der Praxis seine Pflicht vergisst, bei der
Aufrollung, Zuspitzung und Lösung jeder
allgemein
demokratischen Frage allen
voranzugehen.
[…] Wiederholt
denn nicht P.B. Axelrod schon seit 1897 ständig: „Die Aufgabe der
russischen Sozialdemokraten, Anhänger und direkte oder indirekte
Verbündete in den nichtproletarischen Klassen zu gewinnen, wird vor
allem und hauptsächlich durch den Charakter der propagandistischen
Arbeit im Proletariat selber gelöst“? Aber die Martynow und die
übrigen „Ökonomisten“ stellen sich trotzdem die Sache weiterhin
so vor, als müssten die Arbeiter zunächst
„im
ökonomischen Kampf gegen die Unternehmer und gegen die Regierung“
Kräfte (für eine trade-unionistische Politik) sammeln und erst dann
–
wohl
von der trade-unionistischen „Erziehung zur Aktivität“ zur
sozialdemokratischen Aktivität „übergehen“!
(435ff.)
2. Arbeiterdemokratie und bürgerliche Demokratie. 1905
(LW8)
Gegen das
Argument, die Hegemonie des Proletariats in der demokratischen
Revolution sei irreal, da die meisten Liberalen nicht einmal für
allgemeine, gleiche und geheime Wahlen seien:
„Jeder
Liberalismus taugt dazu, dass die Sozialdemokratie ihn genau so weit
unterstützt, wie er tatsächlich als Kämpfer gegen die
Selbstherrschaft auftritt. Diese Unterstützung, die der einzige bis
zu Ende konsequente Demokrat, das heißt das Proletariat, allen
inkonsequenten (d.h. bürgerlichen) Demokraten erweist, ist ja die
Verwirklichung der Idee der Hegemonie. Nur die kleinbürgerliche,
krämerhafte Auffassung von der Hegemonie sieht deren Wesen in einer
Vereinbarung, in gegenseitiger Anerkennung und in papiernen
Bedingungen. Vom proletarischen Standpunkt aus gehört die Hegemonie
im Kriege demjenigen, der am energischsten von allen kämpft, der
jede Gelegenheit benutzt, um dem Feind einen Schlag zu versetzen, bei
dem Worte und Taten übereinstimmen und der deshalb der jede Halbheit
kritisierende ideologische Führer der Demokratie ist.
Die Iskra ist in einem großen Irrtum befangen, wenn sie glaubt, dass
die Halbheit eine moralische und nicht eine politisch-ökonomische
Eigenschaft der bürgerlichen Demokratie sei ...“ (66)
3. Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der
demokratischen Revolution. 1905 (LW9)
„Eben
die Lage des Proletariats als Klasse zwingt es, konsequent
demokratisch zu sein. Die Bourgeoisie blickt nach rückwärts, sie
fürchtet den demokratischen Fortschritt, der mit der Gefahr der
Erstarkung des Proletariats droht. Das Proletariat hat nichts zu
verlieren als seine Ketten, wird aber mit Hilfe des Demokratismus
die ganze Welt gewinnen. Je konsequenter daher die bürgerliche
Revolution in ihren demokratischen Umgestaltungen ist, desto weniger
beschränkt sie sich auf das, was ausschließlich für die
Bourgeoisie von Vorteil ist. Je konsequenter die bürgerliche
Revolution ist, desto mehr Vorteile sichert sie in der demokratischen
Umwälzung dem Proletariat und der Bauernschaft.
Der Marxismus lehrt den
Proletarier nicht, sich von der bürgerlichen Revolution
fernzuhalten, auf die Teilnahme in ihr zu verzichten, die Führung in
ihr der Bourgeoisie zu überlassen, sondern im Gegenteil, er lehrt
die energischste Teilnahme, den entschlossendsten Kampf für den
konsequentesten proletarischen Demokratismus, für die Durchführung
der Revolution bis zu Ende.“ (39)
„Ein
‚entscheidender Sieg über den Zarismus‘ ist die
revolutionär-demokratische Diktatur des Proletariats und der
Bauernschaft […] Doch selbstverständlich wird das keine
sozialistische, sondern eine demokratische Diktatur sein. Sie wird
(ohne eine ganze Reihe von Zwischenstufen der revolutionären
Entwicklung) nicht imstande sein, die Grundlagen des Kapitalismus
anzutasten.“ (43f.)
„Die
revolutionär-demokratische Diktatur des Proletariats und der
Bauernschaft hat, wie alles auf der Welt, eine Vergangenheit und eine
Zukunft. Ihre Vergangenheit sind die Selbstherrschaft, die
Leibeigenschaft, die Monarchie, die Privilegien. Im Kampf gegen diese
Vergangenheit, im Kampf gegen die Konterrevolution kann es einen
‚einheitlichen Willen‘ des Proletariats und der Bauernschaft
geben, weil einheitliche Interessen vorhanden sind.
Ihre Zukunft ist der Kampf
gegen das Privateigentum, der Kampf des Lohnarbeiters gegen den
Unternehmer, der Kampf für den Sozialismus. Hier ist ein
einheitlicher Wille unmöglich. Hier liegt vor uns nicht der Weg von
der Selbstherrschaft zur Republik, sondern der Weg von der
kleinbürgerlichen, demokratischen Republik zum Sozialismus.
In der konkreten
historischen Situation verflechten sich freilich die Elemente der
Vergangenheit und der Zukunft, der eine Weg geht in den anderen über.
Die Lohnarbeit und ihren Kampf gegen das Privateigentum gibt es auch
unter der Selbstherrschaft, sie entsteht in ihrer Keimform sogar
unter der Leibeigenschaft. Das hindert uns jedoch keineswegs, die
großen Entwicklungsperioden logisch und historisch voneinander zu
scheiden. Wir alle stellen ja die bürgerliche Revolution der
sozialistischen gegenüber, wir alle bestehen unbedingt auf der
Notwendigkeit, strengstens zwischen ihnen zu unterscheiden, aber kann
man denn leugnen, dass sich in der Geschichte einzelne Teilelemente
der einen und der anderen Umwälzung miteinander verflechten? Kennt
die Epoche der demokratischen Revolutionen in Europa nicht eine Reihe
sozialistischer Bewegungen und sozialistischer Versuche? Und ist denn
der künftigen sozialistischen Revolution in Europa nicht noch
vieles, sehr vieles im Sinne des Demokratismus nachzuholen
geblieben?“ (74, 75)
„Das Proletariat muss
die demokratische Umwälzung zu Ende führen, indem es die Masse der
Bauernschaft an sich heranzieht, um den Widerstand der
Selbstherrschaft mit Gewalt zu brechen und die schwankende Haltung
der Bourgeoisie zu paralysieren. Das Proletariat muss die
sozialistische Umwälzung vollbringen, indem es die Masse der
halbproletarischen Elemente der Bevölkerung an sich heranzieht, um
den Widerstand der Bourgeoisie mit Gewalt zu brechen und die
schwankende Haltung der Bauernschaft und der Kleinbourgeoisie zu
paralysieren.“ (90)
4. Zwei Tendenzen in der Entwicklung der nationalen Frage im Kapitalismus. 1916 (LW20)
Lenin
erarbeitete vor dem ersten Weltkrieg marxistische Positionen zur
nationalen Frage. In dieser Zeit gab es ein nationales Erwachen auf
dem Balkan, in Osteuropa und in Asien. Auch im 'bunten' russischen
Großreich gärte es unter den über 100 Nationalitäten. 1913
entstand Lenins These über die zwei Tendenzen in der Entwicklung der
nationalen Frage im Kapitalismus. Die erste Tendenz ist die des
Erwachens des nationalen Bewusstseins, des Kampfs gegen nationale
Unterdrückung und der Entstehung von Nationalstaaten. Sie ist
historisch mit der Epoche des Sieges des Kapitalismus über den
Feudalismus verbunden. Die zweite Tendenz ist die der Entwicklung und
Vervielfachung der verschiedenartigen Beziehungen zwischen den
Nationen, des Niederreißens der nationalen Schranken, der
Herausbildung der internationalen Einheit des Kapitals, des
Wirtschaftslebens, der Politik, der Wissenschaft. „Beide Tendenzen
sind ein Weltgesetz des Kapitalismus.“ (12)
Doch
erfolgt im kapitalistischen Weltsystem die Annäherung nicht auf
Grundlage gleichberechtigter Kooperation der Nationen, sondern in der
Konkurrenz von Unternehmen und Staaten, durch Unterwerfung von
Nationen, Ausbeutung und Ausplünderung des Gros der Länder seitens
imperialistischer Großmächte. Daher hebt die zweite Tendenz die
erste nicht auf, sondern verschärft sie. Marxisten rechnen mit
beiden Tendenzen, treten für Gleichberechtigung der Nationen und
proletarischen Internationalismus ein, bejahen das
Selbstbestimmungsrecht, bekämpfen aber den bürgerlichen
Nationalismus, der die Privilegierung und Exklusivität der ‚eigenen
Nation‘ anstrebt und der die Ausgebeuteten spaltet.
5. Die sozialistische Revolution u.
das Selbstbestimmungsrecht der Nationen. 1916 (LW22)
„Die sozialistische Revolution
ist kein einzelner Akt, keine einzelne Schlacht an einer Front,
sondern eine ganze Epoche schärfster Klassenkonflikte, eine lange
Reihe von Schlachten an allen Fronten, das heißt in allen Fragen der
Ökonomie sowie der Politik, Schlachten, welche nur mit der
Expropriation der Bourgeoisie enden können. Es wäre ein großer
Irrtum zu glauben, dass der Kampf um die Demokratie imstande wäre,
das Proletariat von der sozialistischen Revolution abzulenken oder
auch nur diese Revolution in den Hintergrund zu schieben, zu
verhüllen und dergleichen. Im Gegenteil, wie der siegreiche
Sozialismus, der nicht die vollständige Demokratie verwirklicht,
unmöglich ist, so kann das Proletariat, das den in jeder Hinsicht
konsequenten, revolutionären Kampf um die Demokratie nicht führt,
sich nicht zum Siege über die Bourgeoisie vorbereiten.“ (144f)
6. Die Ergebnisse der Diskussion
über die Selbstbestimmung. 1916 (LW22)
„Man
darf wohl hoffen, dass nach dem Sprichwort ‚Alles Schlechte hat
auch sein Gutes‘ vielen Genossen, die nicht begriffen haben, in
welchen Sumpf sie geraten, wenn sie die ‚Selbstbestimmung‘
ablehnen und die nationalen Bewegungen der kleinen Nationen mit
Geringschätzung behandeln, jetzt unter dem Eindruck des ‚zufälligen‘
Zusammenfallens der Urteile eines Vertreters der imperialistischen
Bourgeoisie und eines Sozialdemokraten die Augen aufgehen werden!!
[…]
Denn
zu glauben, dass die soziale Revolution denkbar ist ohne Aufstände
kleiner Nationen in den Kolonien und in Europa, ohne revolutionäre
Ausbrüche eines Teils des Kleinbürgertums mit allen seinen
Vorurteilen, ohne die Bewegung unaufgeklärter proletarischer und
halbproletarischer Massen gegen das Joch der Gutsbesitzer und der
Kirche, gegen die monarchistische, nationale usw. Unterdrückung -
das zu glauben heißt der sozialen Revolution entsagen. Es
soll sich wohl an einer Stelle das eine Heer aufstellen und erklären:
‚Wir sind für den Sozialismus‘, an einer anderen Stelle das
andere Heer aufstellen und erklären: ‚Wir sind für den
Imperialismus‘, und das wird dann die soziale Revolution sein! Nur
unter einem solchen lächerlich-pedantischen Gesichtspunkt war es
denkbar, den irischen Aufstand einen ‚Putsch‘ zu schimpfen.
Wer
eine ‚reine‘ soziale Revolution erwartet, der wird sie niemals
erleben. Der ist nur in Worten ein Revolutionär, der versteht nicht
die wirkliche Revolution. […]
Die
sozialistische Revolution in Europa kann
nichts anderes sein als ein Ausbruch
des Massenkampfes aller und jeglicher Unterdrückten und
Unzufriedenen. Teile des Kleinbürgertums und der rückständigen
Arbeiter werden unweigerlich an ihr teilnehmen - ohne eine solche
Teilnahme ist ein Massenkampf nicht
möglich, ist überhaupt keine
Revolution möglich -, und ebenso unweigerlich werden sie in die
Bewegung ihre Vorurteile, ihre reaktionären Phantastereien, ihre
Fehler und Schwächen hineintragen. Objektiv aber werden sie das
Kapital angreifen, und die klassenbewusste Avantgarde der Revolution,
das fortgeschrittene Proletariat, das diese objektive Wahrheit des
mannigfaltigen, vielstimmigen, buntscheckigen und äußerlich
zersplitterten Massenkampfes zum Ausdruck bringt, wird es verstehen,
ihn zu vereinheitlichen und zu lenken, die Macht zu erobern, die
Banken in Besitz zu nehmen, die allen (wenn auch aus verschiedenen
Gründen!) so verhassten Trusts zu expropriieren und andere
diktatorische Maßnahmen durchzuführen, die in ihrer Gesamtheit den
Sturz der Bourgeoisie und den Sieg des Sozialismus ergeben, einen
Sieg, der sich durchaus nicht mit einem Schlag aller
kleinbürgerlichen Schlacken ‚entledigen‘ wird.“ (363f.)
7. Die proletarische Revolution und
der Renegat Kautsky. 1918 (LW28)
„Die
Frage, die von Kautsky verwirrt worden ist, ist von den Bolschewiki
schon 1905 völlig geklärt worden. Ja, unsere Revolution ist eine
bürgerliche, solange
wir mit der Bauernschaft in
ihrer Gesamtheit zusammengehen.
Darüber waren wir uns völlig im Klaren. Das haben wir seit 1905
Hunderte und Tausende Mal gesagt, und niemals haben wir versucht,
diese notwendige Stufe des historischen Prozesses zu überspringen
und durch Dekrete zu beseitigen. Die krampfhaften Bemühungen
Kautskys, uns in diesem Punkt ‚bloßzustellen‘, legen nur die
Verworrenheit seiner Ansichten bloß und zeigen, dass er Angst hat,
sich an das zu erinnern, was er 1905 geschrieben hat, als er noch
kein Renegat war.
Aber
im Jahre 1917, seit April,
lange vor der Oktoberrevolution, bevor wir die Macht ergriffen,
sagten wir dem Volk offen und klärten es darüber auf, dass die
Revolution nunmehr dabei nicht stehenbleiben kann, denn das Land ist
vorwärts gegangen, der Kapitalismus hat Fortschritte gemacht, die
Zerrüttung hat unerhörte Ausmaße angenommen, und das erfordert (ob
man es will oder nicht) weitere Schritte vorwärts, zum
Sozialismus hin.
Denn anders vorwärts zu kommen, anders das durch den Krieg erschöpfte
Land zu retten, anders die Qualen der Werktätigen und Ausgebeuteten
zu
mildern, ist unmöglich.
Es
kam denn auch so, wie wir gesagt hatten. Der
Verlauf der Revolution hat die Richtigkeit unserer Argumentation
bestätigt. Zuerst
zusammen mit der „gesamten“ Bauernschaft gegen die Monarchie,
gegen die Gutsbesitzer, gegen das Mittelalter (und insoweit bleibt
die Revolution eine bürgerliche, bürgerlich-demokratische
Revolution). Dann
zusammen
mit der armen Bauernschaft, zusammen mit dem Halbproletariat,
zusammen mit allen Ausgebeuteten gegen den Kapitalismus,
einschließlich der Dorfreichen, der Kulaken, der Spekulanten, und
insofern wird die Revolution zu einer sozialistischen
Revolution. Der Versuch, künstlich eine chinesische Mauer zwischen
dieser und jener aufzurichten, sie voneinander durch
etwas Anderes
zu trennen als durch den Grad der Vorbereitung des Proletariats und
den Grad seines Zusammenschlusses mit der Dorfarmut, ist die größte
Entstellung und Vulgarisierung des Marxismus, seine Ersetzung durch
den Liberalismus. Das würde bedeuten, durch quasi-gelehrte Hinweise
auf die Fortschrittlichkeit der Bourgeoisie im Verhältnis zum
Mittelalter eine reaktionäre Verteidigung der Bourgeoisie gegenüber
dem sozialistischen Proletariat einzuschmuggeln." (301)
8. Zum vierten Jahrestag der Oktoberrevolution. 1921
(LW33)
„Die
unmittelbare und nächste Aufgabe der Revolution in Russland war die
bürgerlich-demokratische Aufgabe, die Reste des Mittelalters zu
beseitigen, sie bis zum letzten Stein wegzuräumen … Wir haben die
bürgerlich-demokratische Revolution zu Ende
geführt wie niemand sonst. Wir marschieren ganz bewußt, sicher und
unbeirrt vorwärts zur
sozialistischen Revolution, in dem Bewußtsein, dass sie nicht durch
eine chinesische Mauer von der bürgerlich-demokratischen Revolution
getrennt ist, in dem Bewußtsein, dass nur der Kampf
darüber entscheiden wird, wie
weit es uns (letztlich) gelingen wird, vorwärts zu kommen, welchen
Teil der unermeßlich hohen Aufgabe wir erfüllen, welchen Teil
unserer Siege wir uns auf die Dauer sichern werden. Die Zeit wird‘s
lehren […]
Welches waren die
hauptsächlichen Erscheinungen, Überbleibsel, Reste der
Leibeigenschaft in Russland im Jahre 1917? Monarchie, Ständewesen,
Grundbesitz und Bodennutzung, Lage der Frau, Religion, Unterdrückung
der Nationalitäten.“ (31, 32)
„Nebenbei bemerkt, alle
die Kautsky, Hilferding, Martow, Tschernow, Hillquit, Longuet,
McDonald, Turati und sonstigen Helden des ‚zweieinhalbten‘
Marxismus vermochten nicht, ein solches Wechselverhältnis zwischen
der bürgerlich-demokratischen und der proletarisch-sozialistischen
Revolution zu verstehen. Die erste wächst in die zweite hinüber.
Die zweite löst im Vorbeigehen die Fragen der ersten. Die zweite
verankert das Werk der ersten. Der Kampf und nur der Kampf
entscheidet, wie weit es der zweiten gelingt, über die erste
hinauszuwachsen.
Die Sowjetordnung
ist gerade eine der anschaulichen Bestätigungen oder Erscheinungen
dieses Hinüberwachsens
der einen Revolution in die andere. Die Sowjetordnung ist das
Höchstmaß an Demokratismus für die Arbeiter und Bauern, und
zugleich bedeutet sie den Bruch mit dem bürgerlichen Demokratismus
und die Entstehung eines neuen
weltgeschichtlichen Typus
der Demokratie, nämlich: des proletarischen Demokratismus oder der
Diktatur des Proletariats.“ (34)
„Wir rechneten
darauf – vielleicht wäre es richtiger, zu sagen: Wir nahmen an,
ohne genügend zu rechnen –, dass wir durch unmittelbare Befehle
des proletarischen Staates die staatliche Produktion und die
staatliche Verteilung der Güter in einem kleinbäuerlichen Land
kommunistisch regeln könnten. Das Leben hat unseren Fehler gezeigt.
Es bedarf einer Reihe von Übergangsstufen: Staatskapitalismus und
Sozialismus, um den Übergang zum Kommunismus vorzubereiten, ihn
durch die Arbeit einer langen Reihe von Jahren vorzubereiten.
Nicht aufgrund des Enthusiasmus unmittelbar, sondern mit Hilfe des
aus der großen Revolution geborenen Enthusiasmus, aufgrund des
persönlichen Interesses, der persönlichen Interessiertheit, der
wirtschaftlichen Rechnungsführung bemüht euch, zuerst feste Stege
zu bauen, die in einem kleinbäuerlichen Land über den
Staatskapitalismus zum Sozialismus führen, sonst werdet ihr nicht
zum Kommunismus gelangen, sonst werdet ihr die Millionen und
Abermillionen Menschen nicht zum Sozialismus führen.“ (38)
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