Wir haben Beate Landefeld, Mitherausgeberin der Marxistischen Blätter, zu ihrer Einschätzung der Alternative für Deutschland befragt.
news.dkp.de: Die AfD wurde bei der Bundestagswahl so stark wie die FDP. In bürgerlichen Medien wird die AfD meist als eine Partei von Ökonomieprofessoren und verstaubten Euroskeptikern charakterisiert. Welche Interessen stecken hinter dieser Partei?
Beate Landefeld: In der Tat haben sich dieser erst vor Kurzem gegründeten Partei zahlreiche neoliberale Ökonomen angeschlossen und noch mehr sympathisieren mit ihr. Hauptthema der AfD ist die praktische Aushebelung des „Stabilitätspakts“ durch die Banken- und Eurorettungspolitik der EU. Da der „Stabilitätspakt“ für die deutsche Bourgeoisie seinerzeit die Geschäftsgrundlage für ihre Zustimmung zum Euro war, brechen zum Teil alte Vorbehalte gegen den Euro wieder auf, zum Teil geht der Glaube an die Vereinbarkeit des Euro mit der „Stabilitätspolitik“ verloren.
Die „Stabilitätspolitik“ ist aber Teil des Geschäftsmodells der exportabhängigen BRD-Wirtschaft.
Den deutschen Konzernen ging es immer um „Wettbewerbsfähigkeit“ im Weltmaßstab. Die sogenannte „Stabilitätspolitik“, die man als die deutsche Variante des Neoliberalismus betrachten kann, heißt konkret: das Sparen an allem, was der Reproduktion der Arbeitskraft dient. Real ist es Umverteilung von unten nach oben. Es geht mit Abgabensenkungen für Unternehmen und Reiche einher. Die „Stabilitätspolitik“ vernachlässigt den Binnenmarkt zugunsten des Weltmarkts. Die im Inland fehlende Nachfrage wird auf Kredit im Ausland geschaffen.
Der schnelle Aufstieg der Partei AfD hat also tiefere soziale Hintergründe. In ihm spiegeln sich Widersprüche in der objektiven Interessenlage der deutschen Bourgeoisie.
news.dkp.de: German Foreign Policy zufolge, entstammt die AfD „einem Teil des deutschen Establishments“, und zwar „demjenigen, der dem heutigen Euro aus ökonomischen Überlegungen ablehnend gegenüber steht.“
Beate Landefeld: Seit Beginn der Eurokrise zeichnet sich ein politischer Streit in der deutschen Bourgeoisie in der Frage ab, wie mit der Krise umzugehen sei. Der damalige spanische Regierungsberater Torreblanco sprach im Frühjahr 2011 in diesem Zusammenhang von einer „Rebellion der Eliten“ in Deutschland. „Rebellen“ gab es bis hinein in die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP. Bei den Unternehmerverbänden taten sich besonders die Verbände der Familienunternehmer und der Jungen Unternehmer als Kritiker der Euro-Rettungspolitik hervor.
news.dkp.de: Handelt es sich bei den „Rebellen“ hauptsächlich um Mittelständler?
Beate Landefeld: Nein. Der frühere Chef des BDI Hans Olaf Henkel gehört sicherlich zur Finanzoligarchie.Auch er hält den Euro in der bisherigen Form für gescheitert. In seinem wöchentlichen Kommentar im Handelsblatt äußert er sich befriedigt über den Erfolg der AfD bei der Bundestagswahl (Handelsblatt vom 23.9.2013), da nun die Zeit zu Ende gehe, „in der das Kartell der euromantischen Parteien die Folgen der Eurorettungspolitik unter den Teppich kehren“ könne. Seit längerem plädiert er für die Teilung des Euro in einen Nord-Euro und einen Süd-Euro. Mitte 2012 bezeichnete der damalige Chef von Gesamtmetall Kannegießer „Deutschland, die Benelux-Länder, Skandinavien“ als die Länder, die in eine echte Währungsunion passten. „Frankreich wird schwieriger, aber deren Mitgliedschaft wäre natürlich wünschenswert.“
Andere Sprecher der Großkonzerne, wie der Präsident der Bundesvereinigung für Groß- und Außenhandel Börner traten zur gleichen Zeit für einen Ausschluß Griechenlands aus der Eurozone ein: „Das Land ist von der Politik und von der Wirtschaft längst abgeschrieben worden. … Sicherlich bleibt ein gewisses Restrisiko, wie die Märkte kurzfristig reagieren. Grundsätzlich ist es aber richtig, dass dauerhaft nur solche Länder der Euro-Zone angehören, die den unbedingten Willen zur Wettbewerbsfähigkeit und soliden Finanzen haben.“ Ich habe dazu ausführlicher in einem Artikel in den Marxistischen Blättern (04/12) argumentiert. Das kann hier nachgelesen werden: “Mit zwei Geschwindigkeiten in die Fiskalunion ?”
news.dkp.de: Waren das nicht Außenseiterstimmen unter den Monopolvertretern? Liegt nicht die Ausbreitung des Euro, also eine möglichst große Eurozone im Interesse der Monopole?
Beate Landefeld: Zwischen der Merkel-Regierung, den Spitzen wichtiger Konzerne und Banken sowie dem BDI gibt es eine enge Konsultation über das Vorgehen in der Eurokrise, und Mitte 2012 warf der damalige BDI-Chef Keitel den Familienunternehmern auch prompt einen Mangel an Unterstützung von Merkels Bemühungen, die Eurozonenländer mit Hilfe des Fiskalpakts an die Kandare zu nehmen, vor. Die FAZ kommentierte damals: „Niemand unterstützt die Euro-Rettung so hingebungsvoll wie die deutschen Großkonzerne.“
Der Streit im Unternehmerlager reflektiert einen objektiven Widerspruch in der Interessenlage der deutschen Bourgeoisie: Auf der einen Seite gibt es das Interesse am Euro als Reservewährung und an der EU als Expansionsbasis für die Konkurrenz mit den USA und Asien. Dagegen steht auf der anderen Seite das ebenso wichtige Interesse, möglichst schnell zur „Stabilitätspolitik“ als bewährtem Erfolgsrezept für die globale Wettbewerbskraft der deutschen Konzerne zurück zu kehren.
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