Ein „Faktenchecker“ von T-online befand am 29.1.22: „Schwesig hat ein Nord Stream 2-Geheimnis und traf sich mit Schröder“. Am 31.1.22 schwor Lars Klingbeil verschiedene SPD-Politiker auf die Formel ein: „Der Russe eskaliert – wir halten alle Optionen auf dem Tisch, auch das Aus für Nord Stream 2“. Die FAZ vom 1.2.22 schrieb: „Manuela Schwesig wird zum Problem für die SPD“. Die NDR-Webseite titelte am selben Tag: „Ukraine-Krise: Rückt Schwesig vom SPD-Kurs ab?“ Sie habe im Interview „trotz der verbal vorgetragenen Unterstützung für Klingbeil vermied(en), dessen Kernaussage zu Russland als Verursacher der Eskalation und zu den sogenannten ‚Optionen‘ zu wiederholen“. Der NDR zitierte den mecklenburgischen CDU-Parlamentarier Sebastian Ehlers, der Schwesig auf Twitter zum „Team Putin“ zählte.
Schwesig machte nie ein Hehl aus ihrem Einsatz für die
Gaspipeline Nord Stream 2. Seit Langem plädierte sie im wohlverstandenen deutschen
Interesse und im Interesse des Landes Mecklenburg-Vorpommern für das Projekt. Ihre
Hartnäckigkeit stört jene, die schon immer gegen Nord Stream 2 waren und die zurzeit
die von Washington behauptete Bedrohung der Ukraine zum großen Schlag gegen das
Projekt nutzen. Gegen diesen Druck wirkt Schwesig in den Worten des
Vorsitzenden des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft Oliver Hermes als
„Fels in der Brandung“ (Nordkurier 22.1.2022). Für die Inbetriebnahme von Nord
Stream 2 votiert in Umfragen die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung, 67
Prozent im Januar 2022.
Es geht um Geopolitik, um die Machtverhältnisse auf dem
europäischen Energiemarkt und um die künftige deutsche Ostpolitik. Geopolitisch
setzen die USA ihre Strategie der Einkreisung und Schädigung Russlands fort, um
das Land zu schwächen und als Faktor auf dem europäischen Kontinent lahmzulegen.
Energiepolitisch soll Nord Stream 2 sofort blockiert werden und die EU künftig statt
Russland-Gas US-Fracking-Gas beziehen. In der deutschen Ostpolitik sollen jene Stimmen
in der SPD, die mehr auf Deeskalation und Kooperation mit Russland setzen
wollen, im Keim erstickt werden. Solche Stimmen werden des „Verrats“ verdächtigt.
Dazu halluziniert ein Teil der Medien ein „Schröder-Putin-Netzwerk“ herbei, unter
dessen Einfluss die Regierungspartei SPD zum „Unsicherheitsfaktor“ für das Land
werde.
Die Linie Merkel-Scholz war, Nord Stream 2 als „wirtschaftliches
Projekt“ möglichst aus der Politik herauszuhalten. Um den US-Sanktionsdruck zu
mildern, handelte Merkel 2021 mit Biden einen Kompromiss aus, der mehr Hilfen
für die Ukraine und für Nord Stream 2 einen „Notabschalter“ vorsah. Den „Notabschalter“
wollen die eifrigsten Transatlantiker nun im Voraus betätigen. Dafür nutzen sie
die Kriegshysterie um die Ukraine als Kulisse. Diese Kulisse schadet laut
Präsident Selenski allerdings auch der ukrainischen Wirtschaft, aus der
Investoren bereits fliehen. Auch bei uns fördert die Hysterie den Preisauftrieb
zu Lasten der Bevölkerung.
Laut BDI-Präsident Russwurm hängt die deutsche
Energieversorgung „nicht an einer einzelnen Pipeline, auch nicht an Nord Stream
2“. Er fügte hinzu, Deutschland beziehe mehr als 50 Prozent seines Gases aus
Russland und es „wäre sicherlich nicht leicht, diesen Anteil kurzfristig
komplett oder zu großen Teilen zu ersetzen“. Anders als der Ostausschuss
des BDI mit seiner Nähe zum Energiesektor, deutet Russwurm damit an, dass der
BDI sich auf eine Eskalation einstellen könne. Am Ende fügt sich „die
Wirtschaft“ wie bisher dem „Primat der Politik“ des NATO-Bündnisses.
Sozialdemokraten und Gewerkschafter, die die Reduzierung der
Außenpolitik auf Sanktionen als Sackgasse erkennen und mehr Entspannungspolitik
wollen, müssen die Friedensbewegung stärken. Eine andere verlässliche
Perspektive existiert nicht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen