Liebe
Genossen,
der
Genosse Leo Mayer hat einen Aufsatz
für die KP des Irak geschrieben und diesen der Redaktion der
„Marxistischen Blätter“ und der „UZ“, ihrem Chefredakteur
geschickt. Ich bin dafür, diesen Aufsatz zu veröffentlichen, zumal
er die Substanz der Konzeption Leo Mayers (und jener Genossen, die
ihm dabei folgen) darlegt. Ausführungen Leos zu Gramsci sind nur
der Vordergrund, Hintergrund ist die Diskussion des
Partei-Verständnisses durch Leo Mayer. Es handelt sich m. E. um die
Absage an das Parteiverständnis als eines kommunistischen. Ich bin
also auch der Meinung, dass Leos Aufsatz zusammen (!) mit einer
Kritik an ihm zu veröffentlichen ist.
Die
entscheidenden Passagen in Leos Aufsatz lauten (alle Hervorhebungen
von mir, R. St.):
„Im
Rahmen eines solchen Paradigmas lässt sich auch nicht mehr das
traditionelle, sozialdemokratische, von Lenin im Hinblick auf die
rückständigen Verhältnisse Russlands sogar radikalisierte Bild
einer kommunistischen Partei aufrechterhalten, deren Funktion es sei,
durch Agitation, Propaganda und Organisation einer
unaufgeklärten Masse das sozialistische Bewusstsein 'von außen'(1) (bei)zubringen.
Folgt man dagegen Gramsci,
dann ist es die Funktion der Kommunistischen Partei und der ihr
verbundenen Intellektuellen, zur Organisierung und Systematisierung
eines
in den Massen bereits vorhandenen Wissens
beizutragen, das jedoch ‚eine auseinanderfallende, inkohärente,
inkonsequente Weltauffassung‘ darstelle, ‚der Beschaffenheit der
Volksmengen entsprechend, deren Philosophie‘ sie sei. Eine
homogene, zum gemeinschaftlich solidarischen Handeln befähigende
Weltauffassung einer sozialen Gruppe ist in solcher Sicht nur durch
gleichzeitiges Anknüpfen an den rationalen Elementen der Philosophie
des Alltagsverstandes wie gleichzeitig gegen ihn zu gewinnen.(2)"
Und
wer besorgt dieses Anknüpfen? Der liebe Gott?
Gramsci
gehe davon aus, „dass alle
Menschen das Bestreben haben, in irgendeiner Weise die spontane,
bizzare Zusammensetzung ihres Bewusstseins, ihrer Haltungen und
Gewohnheiten nach einem Lebensentwurf zu organisieren; sich in diesem
Sinne einen Zusammenhang in den Anschauungen erarbeiten wollen.
Aufgabe der marxistischen Partei ist, dieses Streben zu unterstützen
und mit der Systematik der marxistischen Weltanschauung zu befördern,
damit ein Bewusstsein über die gesellschaftliche Stellung und
Aufgabe erarbeitet wird.
Dazu soll die politische Praxiserfahrung lernend aufgegriffen werden,
um ein Bewusstsein von der Fähigkeit zu erlangen, sich selbst und
die Welt verändern zu können. ‚Unser Wahlspruch (geschrieben
im März 1843 R. St.) muss
also sein: Reform des Bewusstseins nicht durch Dogmen, sondern durch
Analysierung des mystischen, sich selbst unklaren Bewusstseins, trete
es nun religiös oder politisch auf. Es wird sich dann zeigen, dass
die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur
das Bewusstsein besitzen muss, um sie wirklich zu besitzen. Es wird
sich zeigen, dass es sich nicht um einen großen Gedankenstrich
zwischen Vergangenheit und Zukunft handelt, sondern um die
Vollziehung der Gedanken der Vergangenheit. Es wird sich endlich
zeigen, dass die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewusstsein ihre alte Arbeit zustande bringt‘, schreibt Marx.(3) Das
ist etwas anderes als die Methoden der Belehrung, der Aufklärung und
der Agitation, die darauf zielen ein ‚falsches Bewusstsein‘ durch
ein vermeintlich ‚richtiges Bewusstsein‘ zu ersetzen, und ist
in erster Linie eine kulturelle und Aufgabe der Volksbildung und
politischen Erziehung und erst in zweiter eine organisatorische. Sie
muss von ‚organischen Intellektuellen‘ der Arbeiterklasse (die
Kommunistische Partei bei Gramsci; heute eher ein
Netzwerk von Parteien und Bewegungen in dem die Kommunistische Partei
eine wichtige Rolle spielen muss)
und nicht von ‚Berufsrevolutionären‘ bewältigt werden.
Gramsci geht es darum,
ein wechselseitiges Lernen zu entwickeln und einen Prozess der
gesellschaftlichen Selbstermächtigung und der politischen
Handlungsfähigkeit zu befördern. Dabei
gilt nach wie vor, was Lenin in seiner Schrift ‚Was tun?‘(4)
entwickelte, dass die Arbeiterklasse nicht spontan durch ihr
politisches Handeln zu einem sozialistischen Bewusstsein gelangen
kann, sondern durch ‚wissenschaftliche Einsicht‘, oder wie Engels
schreibt, in dem sich die Arbeiter zur ‚Marxschen Theorie der
Entwicklung aus ihrem eigenen Klassengefühl heraus emporarbeiten‘(5).
Klassenbewusstsein
wird nicht in die Massen hineingetragen, sondern erfordert die
selbstständige geistige Arbeit ganz konkreter Menschen.
Vor
dem Hintergrund, dass Erfahrungen der DKP heute verschüttet gehen
oder ignoriert werden heißt es in den Politischen Thesen
dazu: ‚Die
Erfahrungen zeigen, dass
Klassenbewusstsein nicht durch eine Praxis entsteht, die mit dem
vereinfachten Bild vom ‚Hineintragen des Klassenbewusstseins‘
umschrieben werden kann.
Dahinter steht eine viel komplexere und kompliziertere Aufgabe
marxistischer Theorie und der Partei. Diese besteht nicht
in erster Linie in einer platten ‚ideologischen Aufklärung‘,
deren Inhalte von vorneherein feststehend sind und die man also
annehmen kann oder auch nicht,
sondern in der Kommunikation und Systematisierung von
unterschiedlichen Erfahrungen und Wissen. ... Es gilt deshalb,
Lernprozesse zu organisieren [schöne Umschreibung des Hineintragens!
R. St.], dafür zu wirken, dass aus
dem bereits vorhanden Bewusstsein und den Erfahrungen eine
systematische, zusammenhängende Sicht auf die Gesellschaft und der
eigenen gesellschaftlichen Rolle entsteht ... Wir wirken deshalb
dafür, dass Politik als Lernprozess organisiert [wer organisiert,
wie macht er das? R. St.] wird, der auf die individuelle und
kollektive Handlungsfähigkeit und Organisiertheit zielt. Der Kampf
gegen die Abwälzung der Krisenlasten und um Reformen soll nicht nur
zur Verbesserung der Lebenssituation großer Teile der Bevölkerung
führen und zur Erweiterung demokratischer Freiheiten beitragen,
sondern ebenso zur Veränderung der Lebenseinstellungen, der
Erwartungen und des Handelns der Menschen. ... Insofern
ist radikale
Demokratie nicht nur ein gesellschaftspolitisches Ziel, sondern auch
Weg und wichtigste Methode,
sich dem Ziel der Emanzipation des Menschen - ».. alle Verhältnisse
umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes,
ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist« - zu nähern.(6)"
Leo
zitiert nicht, was der in Freiheit lebende und wirkende Gramsci zum
Parteithema (etwa 1924) schrieb, sondern was er in der Haft notwendig
in Sklavensprache zu Papier brachte. Dieser grundlegende AufsatzGramcis ist bis in die Formulierungen hinein leninistischer Stil.
Leo
zitiert aus einem (!) Aufsatz, den Marx 1843 geschrieben hat und
lässt alles weg, was Marx vor diesem und nach diesem Absatz im
gleichen Aufsatz oder in anderen zur gleichen Zeit geschriebenen
Beiträgen festgehalten hat. Ich nehme zu Leos Vorteil an, dass er
diesen Aufsatz gar nicht wirklich kennt.
Also es
gibt ein traditionelles sozialdemokratisches, von Lenin übernommenes
Verständnis der Partei, „deren Funktion es sei…einer
unaufgeklärten Masse das sozialistische Bewusstsein ´von
außen`(bei)zubringen. Folgt man dagegen Gramsci, dann ist es die
Funktion der Partei, einem in den Massen bereits vorhandenen Wissen,
zur Organisierung und Systematisierung zu verhelfen", dieser
auseinanderfallenden, inkohärenten, inkonsequenten Weltanschauung. "Eine homogene, zum gemeinschaftlich
solidarischen Handeln befähigende Weltauffassung einer sozialen
Gruppe ist in solcher Sicht nur durch gleichzeitiges Anknüpfen an
den rationalen Elementen der Philosophie des Alltagsverstandes [auch
darüber, wie Gramsci das verstand, wäre zu diskutieren! R. St.] wie
gleichzeitig gegen ihn zu gewinnen.“ Alle Menschen seien bestrebt,
sich eine zusammenhängende Anschauung für die Gewohnheiten ihres
Lebens zu erarbeiten. Dieses Streben sei durch die Partei zu
unterstützen und mit der Systematik der marxistischen Weltanschauung
zu befördern. Dadurch erlangen diese Menschen ein Bewusstsein über
ihre Stellung und Aufgabe. Dazu soll die politische Praxiserfahrung
lernend beitragen, und so dazu führen, die Fähigkeit zu erlangen
sich selbst und die Welt verändern zu können. Das sei etwas anderes
als die Methode der Belehrung, der Aufklärung und der Agitation, die
ein falsches durch ein „vermeintlich ‚richtiges` Bewusstsein
ersetzen“ solle. Es gibt also keine theoretische Klärung der
Grundprobleme unseres Wirkens, kein zutreffendes Wissen, das uns im
Handeln leitet. Keine Maßstäbe! Hier wird in Wahrheit der spontanen
Bewusstseinsentwicklung das Loblied gesungen! Das sei in erster Linie
eine kulturelle Aufgabe (für die es aber keine Orientierungslinien
gibt) der Volksbildung und politischen Erziehung. Erst an zweiter
Stelle gehe es um die organisatorische Aufgabe. Diese Aufgabe sei zu
leisten nicht durch die Partei, sondern durch ein „Netzwerk von
Parteien und Bewegungen, in dem die Partei eine wichtige Rolle
spielen“ muss, aber es gehe nicht um die Aufgabe von
Berufsrevolutionären. Wären wir nicht froh, wir hätten die
Möglichkeit, Genossen damit zu betrauen, beruflich Parteiarbeit zu
leisten statt uns weitgehend mit „Rentner-Revolutionären“
begnügen zu müssen? Was Leo hier schreibt, ist die Absage an einen
Parteiapparat! Es gehe um ein wechselseitiges Lernen. Und nun ein
„Zugeständnis“ an Lenin, das dem zuvor Gesagten doch gar nicht
entspricht: „Dabei gilt nach wie vor, was Lenin in seiner Schrift
´Was tun?` entwickelte, dass die Arbeiterklasse nicht spontan durch
ihr politisches Handeln zu einem sozialistischen Bewusstsein gelangen
kann, sondern durch ‚wissenschaftliche Einsicht?‘“ Und dann
völlig klar: „Klassenbewusstsein wird nicht in die Massen
hineingetragen, sondern erfordert die selbständige geistige Arbeit
ganz konkreter Menschen.“ Dann wird ausführlich aus den Thesen
zitiert – und neben der Entsorgung Lenins ist dies der zweite
Hauptzweck des Artikels: Diese „Thesen“ werden propagiert und
zwar als ein Partei-Dokument, das sie nicht sind – doch das kann im
Irak ja niemand wissen. Dazu gehören denn auch solche die wirkliche
Arbeit versimpelnde Floskeln wie „platte ideologische Aufklärung“,
von vornherein feststehende Inhalte, die man so annehmen könne oder
auch nicht. Und dann wird „radikale Demokratie“ nicht nur zum
Weg, sondern auch zum Ziel des Emanzipationskampfes!
Hier
Hinweise darauf, wie Leo Marx zitiert: Ganz
deutlich wird diese Zitierweise, wenn man sich die wenigen Zeilen von
Marx anschaut, die er zitiert und sie in dem Zusammenhang betrachtet,
in dem Marx sie schrieb. Sie stammen aus dem Jahre 1843, also vor
seinem definitiven Durchbruch zum Materialismus (der etwa in dieser
Zeit mit der Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie und
Staatsphilosophie) erfolgte, beginnend im Sommer 1843, vertieft 1844.
Schauen
wir uns das genauer an, es handelt sich um Texte, die im ersten Band
der 42-bändigen Ausgabe des Berliner Dietz-Verlags mehrere Seiten
Umfang haben. Ich zitiere nun ebenfalls nur einzelne Passagen, aber es
sind dies solche, die zusammenhängen und den Darlegungen Leos direkt
widersprechen.
März
1843, in den Briefen der „Deutsch-Französischen Jahrbücher“
(alle Seitenangaben aus dem erwähnten Band 1):
„Das
Selbstgefühl des Menschen, die Freiheit, wäre in der Brust dieser
Menschen erst wieder zu erwecken.“ (338) Nichts von Vertrauen in
die spontane Entwicklung des Bewusstseins. „Von unserer Seite muss
die alte Welt vollkommen ans Tageslicht gezogen und die neue positive
ausgebildet werden.“ (343) ….. „was wir gegenwärtig zu
vollbringen haben, ich meine die
rücksichtslose Kritik alles Bestehenden.“(344)
Und jetzt kommt die Passage, deren letzten Absatz Leo zitiert, was
davor steht, fällt bei ihm unter den Tisch – hat er das etwa nicht
gelesen? Zitiert er nur aus einer sekundären Quelle?: “…es
hindert uns also nichts, unsere Kritik an die Kritik der Politik, an
die Parteinahme in der Politik, also an wirkliche
Kämpfe anzuknüpfen und mit ihnen zu
identifizieren. Wir treten dann nicht der Welt doktrinär mit einem
neuen Prinzip entgegen: Hier ist die Wahrheit, hier kniet nieder! Wir
entwickeln der Welt aus den Prinzipien
der Welt neue Prinzipien. Wir sagen ihr
nicht: Lass ab von Deinen Kämpfen, sie sind dummes Zeug; wir wollen
dir die wahre Parole des Kampfes zuschrein. Wir zeigen ihr nur,
warum sie eigentlich kämpft, und das
Bewusstsein ist eine Sache, die sie sich aneignen muss, wenn sie auch
nicht will.“ (kursiv von mir, R.
St.,345)
Da
ist doch auf Schritt und Tritt das aktive Wirken, das „Hineintragen“
formuliert. Das ist es, was Marx dann die „Reform des Bewusstseins“
nennt: Dieses: der Welt ihr Bewusstsein innewerden zu lassen (denn
es ist ihr noch nicht inne!). Dies alles sagt doch das Gegenteil
dessen aus, was Leo vorbringt.
Ich
könnte nun weiter gehen und zum „Hineintragen“ aus der berühmten
Marx´schen Einleitung „Zur Kritik der Hegel´schen
Rechtsphilosophie“ zitieren: Da ist geradezu mit leidenschaftlichen
Formulierungen die Forderung formuliert: Vereinigung des Kopfes (der
Theorie) mit dem Herzen (der Arbeiterklasse), eine Aufgabe, die dann
mit dem „Manifest“ gelöst wurde.
Marx
ist kein Zeuge für, sondern gegen Leo Mayer!
Nun zu
Leo Mayers Aufsatz der Eliminierung des kommunistischen
Parteiprinzips.
Natürlich
mag Leo Mayer eine Position einnehmen, wie immer er will, aber er hat
nicht das Recht, dies als stellvertretender Parteivorsitzender zu
tun. Diesen Unterschied hätte er zumindest andeuten müssen, um
nicht – bei einer Bruderpartei, die das gar nicht überprüfen kann
- den Eindruck hervorzurufen, diese Position, die seine eigene ist,
sei die auch der Partei. Diese Täuschung wird auch dadurch
erreicht, dass im Aufsatz gegen Ende ausführlich mit den bekannten
„Thesen“ gearbeitet und richtig geschrieben wird, sie seien durch
Beschluss des Sekretariats zustande gekommen. Es wird aber nicht
mitgeteilt, dass der nachfolgende Parteitag diese „Thesen“ nicht
akzeptierte!
Ich
nehme nun die beiden Zentralpunkte aus Leos Aufsatz heraus und
kritisiere sie.
Zum
wiederholten Male sei es gesagt, denn es ist dies schon einige Male
mündlich und schriftlich vorgetragen worden: Was Leo zum Thema
Hineintragen des sozialistischen Bewusstseins von außen als
Position Lenins ausgibt, um dann das so Dargestellte zu kritisieren,
zeigt:
- dass
er entweder „Was tun?“ gar nicht im Original gelesen oder
- zwar
gelesen aber nicht verstanden oder
- zwar gelesen und verstanden hat, aber dies dann falsch darlegt und auf dieser Grundlage kritisiert.
Dazu
nun im Einzelnen:
Was
heißt Hineintragen des sozialistischen Bewusstseins von außen bei Lenin wirklich und was heißt es nicht?
Das
Thema wird durch Lenin an zwei Stellen des Werks behandelt. Beim
ersten Mal geht es um den historischen Vorgang, in welchem die
marxistische Theorie (die theoretische Fassung des
Klassenbewusstseins) durch Marx und Engels geschaffen wurde und das
zweite Mal, indem Lenin darlegt, was theoretisch unter „von außen“
bedeutet. Das hat er dann durch ein ganz konkretes Beispiel
erläutert, so dass es jeder verstehen kann, wenn er das nur
verstehen will.
Bezogen
auf den ersten „Fall“.
Wie
hätten denn die Arbeiterinnen und Arbeiter in der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts erarbeiten können, was Marx und Engels zur
Herausarbeitung der Grundelemente des wissenschaftlichen Sozialismus taten? Man muss ja nur deren frühe Arbeiten
studieren. Da waren nicht nur gründliche Kenntnisse der klassischen
deutschen Philosophie, der englischen Politischen Ökonomie, der
Arbeiten französischer Historiker, die den Klassencharakter großer
historischer Prozesse zeigten oder auch Kenntnisse des utopischen
Sozialismus nötig, sondern auch entsprechende fremdsprachliche
Kenntnisse – nichts davon besaßen die Angehörigen der
Arbeiterklasse.
Oder
man müsste sich mit der wirklichen Arbeit (denn das ist ja bisher
noch fast gar nicht geschehen) des von Marx geschaffenen Brüsseler
Korrespondenzbüros befassen. Das war doch zwar das getarnte, aber in
Wahrheit eben das Organisationsbüro der entstehenden Partei. Erst
durch dessen Wirken entstanden jene Bedingungen, die kommunistische
Arbeiter und Handwerker bewogen, sich an Marx und Engels mit der
Aufforderung zu wenden, das Programm dieser neu entstehenden Partei
zu schreiben. Das geschah „von außen“ her und war eines – es
gibt deren aber erheblich mehr – solcher Beispiele. Ich erinnere an
den Vortrag Marxens „Lohnarbeit und Kapital“.
Wer
die frühe Geschichte des Marxismus kennt, kann diese Art des „von
außen“ unmöglich in Zweifel ziehen. Zumal Marx und Engels im
„Manifest“ doch selbst auf Intellektuelle aus den herrschenden
Klassen verweisen, die in revolutionären Verhältnissen auf die
Seite der Revolutionäre übergehen (von „außen“ ins
revolutionäre Lager übergehen) – da schrieben sie doch ihre
eigene Visitenkarte!
Kommen
wir zum zweiten „Fall“ des „von außen“
Lenin
verdeutlicht, dass es drei Arten des ideologischen Klassenkampfes
gibt, den sozial-ökonomischen, den politischen und den
theoretischen. Er verdeutlicht: Bei aller Wichtigkeit des
sozial-ökonomischen, des gewerkschaftlichen Kampfes, dass dieser
allein nicht ausreicht, in der Klasse das Wissen entstehen zu
lassen: Dass der letzte Sinn unseres Kampfes darin besteht: Erstens,
die (in der ursprünglichen Akkumulation erfolgte) Trennung der
menschlichen Produktivkraft von den dinglichen Produktivkräften
zurück zu nehmen. Dass zweitens, diese Wiedervereinigung der beiden
Arten von Produktivkräften nicht so erfolgen wird, dass uns die
Kapitalisten die Betriebe auf einem silbernen Tablett überreichen
(wogegen wir doch nichts einzuwenden hätten). Sondern dass sie ihnen
– drittens - abgenommen werden müssen. Das ist dem Wesen nach
– in welcher Form auch immer dies geschieht – eine Revolution.
Dieses
Wissen ist eben nicht das „in den Massen bereits vorhandene“,
über das Leo schreibt.
Lenin
macht dies dann am Beispiel von zwei bekannten Arbeiterführern
deutlich. Also von Arbeiterführern, die, im Unterschied zum
ursprünglichen, historischen Sinn des „von außen in die Klasse
Hineintragens“ nicht Personen waren, die sich außerhalb der
Arbeiterbewegung befanden, sondern die in ihr wirkten. Einmal am
Beispiel des berühmten englischen Gewerkschaftsführers Knight und
dann am Beispiel des berühmten sozialistischen Arbeiterführers (!)
Wilhelm Liebknecht. Wie arbeitete der eine und wie der andere? Lenin
wird nicht müde, die kraftvolle Aktivität Knights zu schildern –
und ebenso, das weit gefächerte Wirken Liebknechts, der kein
Streikführer war, aber auf jede irgendwie mögliche Art und Weise
in der Zeitung, in Versammlungen usw. den Arbeiterinnen und Arbeitern
klar zu machen versuchte, warum die Lebens- und Arbeitsbedingungen,
unter denen sie leiden, so sind wie sie sind und dass man sie
beseitigen müsse. Im Streik allein wird das nicht gelernt. Wir haben
in jüngster Zeit in unserem Land einige Streiks erlebt, wie wir sie
schon lange nicht mehr so hatten. Ist dadurch in nennenswertem Umfang
sozialistisches Klassenbewusstsein in unserer Arbeiterklasse
entstanden? Nur Tagträumer könnten das behaupten – das würdigt
den Wert dieser Streiks nicht ab, es sind diese unter bestimmten
Bedingungen – wie wir sie gegenwärtig aber nicht haben – sogar
Ansatzpunkte zum Weitertreiben von im Streik gewonnenen Einsichten
(nur: wer ist der „Treiber“, die Gewerkschaft oder irgendein
„Netz“?). Es ist dieses gewerkschaftliche noch kein
sozialistisches Klassenbewusstsein, da muss doch auf politischen und
theoretischen Feldern Einsichten Weckendes geschehen. Und diese
Felder liegen eben „außerhalb“ des nur-gewerkschaftlichen
Kampfes. Dies war mit „außerhalb“ bei Kautsky (!) und Lenin
gemeint.
Was
aber heißt Hineintragen bei Lenin nicht?! Es heißt nicht, wie der
Eindruck des Artikels und der „Thesen“ vermittelt, dies mit
versimpelt dargestellten Methoden anzugehen! Dazu wäre auch eine
ganze Menge zu sagen, denn diese Debatten hatten wir doch auch
während der sechziger/siebziger Jahre (des vorigen Jahrhunderts).
Ich erinnere nur etwa an Oskar Negts Konzeption des exemplarischen
Lernens und an solche darüber stattgefundenen Diskussionen (und dazu
geschriebenen Bücher).
Die
in Leos und den „Thesen“ enthaltenen Darlegungen zur Methode sind
erstens versimpelnd, und folglich ohne Substanz, denn sie vertauschen
– zweitens - den Gegenstand: die Methoden mit dem Inhalt, um den
es geht.
Dass
es Methoden dieses von „außen“ in die Klasse Hineinwirkens
versimpelnder Art gab (und gibt), ist ein anderes Thema – übrigens „versimpeln“ nicht
nur Marxisten und darum ist diese selbst versimpelnde
Verallgemeinerung kein Argument. Aber ich habe Walter Listl in der
theoretischen Konferenz der DKP in Hannover 2011 auf den Aufsatz
Lenins aus dem Jahre 1905 „Zur Reorganisation der Partei“
aufmerksam gemacht. Dieser Aufsatz entstand im Herauskommen aus der
tiefen zaristischen Illegalität ins Legale. Wer den gelesen hat, der
kann über die dümmlichen Abkanzelungen der - ich wiederhole, gewiss
auch vorhandenen, aber nicht das Wesen ausmachenden Methoden (!) von
Agitation usw. - nur den Kopf schütteln.
Und
dann haben es die „Berufsrevolutionäre“ Leo angetan. Liebe
Genossen, lassen wir uns doch nicht – hier träfe allerdings die
Kennzeichnung Versimpelung zu - durcheinander bringen: Wir wären
doch froh, hätten wir nicht nur in „größerer“ Zahl
„Rentner-Revolutionäre“. Die Argumentation Leos ist die klare
Verneinung der Notwendigkeit, in einem gewissen Umfang über
berufsmäßig zur Parteiarbeit befähigte und beauftragte Genossinnen
und Genossen zu verfügen. Dem Wesen nach ist dies der Verzicht auf
eine Partei: Nicht einmal die verrücktesten „Piraten“ kommen
ohne organisatorische Korsettstangen aus.
Nun
zum zweiten großen Komplex, zum Zustand von Massenbewusstsein und
den sich daraus ergebenden Notwendigkeiten.
Wie
war das denn mit den „unaufgeklärten Massen“ um 1900 und wie ist
das damit heute bestellt? Was war um 1900 und was haben heute die
Massen als „Wissen“ gespeichert, bringen sie mit? Was wurde um
1900 durch den Klassengegner, seine Instrumente, etwa die Orthodoxe
Kirche Russlands, „als der Herren eigener Geist“ „von außen“
(nämlich von den Interessen der Gutsherren und Kapitalisten
gespeist) in die Bauern- und Arbeiter- Massen hineingetragen? Ich
erinnere mich da eines Aufsatzes Lenins, da sagte er, es sei in
gewissem Sinne ein Glück, dass diese Massen nicht lesen und
schreiben konnten, so wären sie auch nicht imstande, den
opportunistischen Unsinn zu lesen! Als zum weitaus größten Teil
weder des Lesens noch des Schreibens fähig waren sie nicht einer
solchen medialen Vergiftung ausgesetzt, wie dies heute bei uns durch
die Macht der Massenmedien und der sog. öffentlich-rechtlichen
Lügenfabriken möglich ist. Aber bei uns ist das doch heute ganz
anders. Da kann jeder lesen und schreiben und folglich den
ideologisch-politischen Mist „konsumieren“, den die hiesigen
Medien verbreiten. Das wissen wir doch alle und auch, dass es darum
so schwer ist, unsere eigentlichen Adressaten für unsere Argumente
zu gewinnen. Die Dinge liegen also genau umgekehrt wie die Sprüche
aus München uns weismachen wollen! Die „Nähe“
zu Klasseneinsichten war um 1900 unter den fürchterlichen
Bedingungen des zaristischen Russlands größer als dies bei uns
heute der Fall ist. Man darf fachspezifisches Wissen – das
„natürlich“ heute weitaus höher und anders als um 1900 ist –
nicht mit Klassenbewusstsein verwechseln. Nehmen wir einen Ingenieur
oder einen Facharbeiter bei Opel. Hat ihr Fachwissen etwas mit
Klassenbewusstsein zu tun? Beide sind bestimmt gute Auto-Bauer, aber
sind sie deswegen auch schon gute Klassenkämpfer (für die
Arbeitersache)? Eher gehen sie morgens aus dem Haus und kaufen sich
bei der ersten Gelegenheit die „Blödzeitung“, geilen sich in der
Frühstückspause am Nackedei des Tages auf und denken eher daran,
den „vernaschen“ zu können als über Sozialismus zu diskutieren.
Noch
so hoch entwickeltes Fachwissen hat mit Klassenwissen nichts zu tun.
Dieses ist ganz anderes Wissen, ist ganz anderer Kenntnisstand und
diesen zu erwerben, dabei hat die Partei zu helfen, was gar nichts
mit der unterstellten Methode des Nürnberger Trichters zu tun hat. (Apropos
Nürnberger Trichter: Wer in den bekannten „Thesen“ 49 Mal vom
Neoliberalismus spricht aber nur einmal den Begriff Imperialismus
benutzt, der sollte doch andere nicht wegen der Nutzung der Methode
des Nürnberger Trichters anklagen!)
Ich
füge zwei typische Beispiele ein, die es erlauben, Leos
Bewusstseins-Theorie zu prüfen.
Eschborn
ist eine Stadt im Übergang von der Klein- zur Mittelstadt. Bei 22
000 Einwohnern hat sie mehr Arbeitskräfte als Einwohner. Das ergibt
sich daraus, dass die Stadt verkehrsgünstig am Rand einer ökonomisch
durchaus wichtigen Großstadt Frankfurt liegt, nicht zu ihr gehörend
und darum mit günstigeren Steuertarifen ausgestattet. Eschborn ist
folglich ein äußerst lukrativer Standplatz für die Ansiedlung von
Unternehmen. Es befinden sich dort die Zentrale der Deutschen Bank,
die Neue Börse, die Zentrale des deutschen Entwicklungsdienstes und
andere ähnliche Einrichtungen. Dazu drei Aldi-, drei Rewe, zwei
Lidl-, ein Real- und ein Fegro- Großmarkt. Es gibt keinen einzigen
Produktionsbetrieb mehr, auch kaum noch Handwerk oder kleine
Geschäfte, dies wurde alles niederkonkurriert.
Die
Mitarbeiter der Großmärkte dürften am ehesten zur Arbeiterklasse
gehören, die in den Banken usw. mehrheitlich zur lohnabhängigen
Mittelschicht, zumeist mit wenigstens dem Abitur ausgerüstet.
Das
wäre doch, folgte man Leos Argumentation – es ist dieselbe wie in
den „Thesen“, kein Wunder, er hat sie doch geschrieben – der
ideale Boden für das aus diesem hohen Bildungsniveau sich heraus
entwickelnde Klassenbewusstsein.
Nur
liegen die Dinge ganz anders. Bis vor gut zwanzig Jahren war Eschborn
eine SPD-Hochburg. Der damalige SPD-Bürgermeister nutzte die
Standort-Vorteile, um die Großbetriebe in die Stadt zu holen. Damit
wurde die SPD-Hochburg geschleift: Das hoch gebildete Arbeitspersonal
unserer Stadt hat ein CDU-, aber kein proletarisches
Klassenbewusstsein! Nichts haben wir von der Herausbildung von
Klassenbewusstsein auf der Grundlage hohen Bildungsniveaus – und
auch das ist kein Wunder, denn Klassenbewusstsein ist etwas
qualitativ anders als Fachwissen!
Dies
ist aber nur die eine Hälfte des Fallbeispiels, hier die zweite. Ich
bekam vor wenigen Wochen aus Norddeutschland einen Brief. Autor ist
ein mir seit Jahren bekannter Mann der Linken. Er hat ein
abgeschlossenes wirtschaftswissenschaftliches Hochschul-Studium, wie
auch seine Frau und beide haben im mittleren Management von
Wirtschaftsunternehmen gearbeitet. Sie kennen also „den Laden“
und wären, würden Leos Argumente zutreffen, das geeignete Personal
für das spontane, aus hoher Bildung entstehende sozialistische
Klassenbewusstsein – davon war aber bis vor dem erwähnten Brief
nichts zu spüren.
Das
befreundete Ehepaar hat einen Sohn, hochbegabt, Mitglied der SDAJ und
dadurch an einige meiner Schriften heran gekommen. Nun passierte es,
dass während eines Spezialseminars in Hamburg – die Eltern fuhren
mit – der Vater sich sagte: Musst doch mal schauen, was der Sohn da
liest – und so geriet auch er an einige meiner Sachen und er
schrieb mir einen Brief, dessen wichtigste Teile ich zitieren muss:
„Es
ist nun schon sechs Jahre her, seit wir uns das erste Mal begegnet
sind. Damals war ich zwar ‚Linker‘, manchmal sogar sehr weit
‚links‘, aber auch beeinflusst von der erfolgreichen
antikommunistischen Propaganda. Kommunisten waren selbst für mich
zumindest exotisch. Ich selbst habe mich in der Kommunalpolitik und
der Friedenspolitik engagiert, aber auch ein wenig verloren. Erst
unser Sohn hat mich letztlich - ohne dass er direkt darauf hingewirkt
hätte - dazu gebracht, mich endlich auch mit wirklich
grundsätzlichen Fragen des Marxismus-Leninismus zu beschäftigen und
einiges von Dir zu lesen. Hier in Hamburg habe ich zu Deinem Buch ‚So
steht es nicht im Geschichtsbuch‘ gegriffen - und ich habe mich
regelrecht festgelesen. Der Sohn hat vor mir erkannt, dass man von
Euch, sehr sehr viel lernen kann. Jetzt habe ich es endlich auch
begriffen.“
Was
zeigen uns diese durchaus typischen Beispiele?
Sie
zeigen, dass Lenins Darlegungen in „Was tun?“ nicht nur für
seine, sondern auch für unsere Zeit völlig zutreffen, denn: Das
herrschende Bewusstsein ist auch heute – schon wegen der Übermacht
der bürgerlichen Medien und Ideologie-Fabriken - das der
Herrschenden, gerade auch als sich spontan herausbildendes
Bewusstsein. Als antikommunistisches, antisozialistisches
Massenbewusstsein, zeigen sie, dass das herrschende Bewusstsein das
der Herrschenden ist, dass das spontan sich bildende Bewusstsein
schon wegen der Allmacht der bürgerlichen Medien ein bürgerliches
ist – der Brief zeigt es: es ist antikommunistisches Bewusstsein.
Hoch entwickeltes Fachwissen ist weder Klassenbewusstsein noch dessen
Grundlage. Dieses muss vielmehr von außerhalb – außerhalb des
spontanen Bewusstseins – in die Klasse hineingetragen werden. Der
Sohn ist in diesem Fall die Kraft, die „von außen“ hineinträgt
und er schafft dies als Mitglied der SDAJ, die in diesem Fall an die
Stelle der Partei getreten ist.
Wer dies nicht beachtet, der hat keinen Schimmer von dem, was
Klassenbewusstsein ist, worin seine spezifische Besonderheit besteht
und wie durchaus schwer und schwierig es ist, sich solches zu
erarbeiten. Es wächst nicht von selbst auf den Bäumen der
Alltagserfahrungen und des Alltags–Arbeitens.
Was
bei uns derzeit von „außen“ in die Klasse hineingetragen wird,
ist das ideologisch-politische Gift des Kapitals. Und das geschieht
von früh-morgens bis abends massenhaft und über alle Kanäle,
teils dem Scheine nach in Riesenschinken geschichtlicher Art, in
„historischen“ Filmen (etwa über die Wanderhure oder deren
Tochter) und wird „ergänzt“ durch sog. Dokumentationen. Und
welches ist dabei das Thema Nr. 1? Der Antikommunismus, die DDR, die
Stasi und das hat Massenwirkung! Es ist das zentrale Thema der
ideologisch-politischen Massenvergiftung, die Idee und die Realität
auf jede nur mögliche Weise zu beschmutzen, zu bekämpfen, und es
wird kein Vorankommen der antiimperialistischen Kräfte geben, wenn
es uns nicht gelingt, diesen Lügenfeldzügen entgegen zu treten. Wer
nicht „befreit“ wird von solchem Gift über den Sozialismus, der
wird nicht mit uns wirken wollen und auch nicht können. Bei aller
Kritik an den eigenen Fehlern, Dummheiten und auch Verbrechen – die
wir (!) leisten müssen - andere sind, wo nicht nur zur Hetze und
Verleumdung befähigt, dann eben nicht zur Vermittlung von Klarheit
über die Frage Sozialismus oder Barbarei bereit oder befähigt.
Denkt
man sich dort hinein, so wird auch an diesem Problem deutlich, dass
es auch unserem Gegner darum geht, sein bürgerlich
ideologisch-politisches Gift (sein „Bewusstsein“) in die Massen
von außen hineinzutragen, denn es wird eben in diese Massen „von
außen“, nämlich gelenkt von den Klasseninteressen des Kapitals
hineingetragen. Es ist unabdingbar: Dieses ideologisch-politische
Gift ist zu „entsorgen“. Die Menschheit wird nur dann eine
Zukunft haben, wenn es gelingt, aller Hetze zum Trotz, zu vermitteln,
dass die Alternative heißt: Sozialismus oder Barbarei!
Doch
wer kann auf die Bahn des Sozialismus leiten? Wer ist diese Kraft,
die dazu allein (!) fähig ist? Denn ein „Netzwerk“, das sich
über die Fragen des Kapitalismus und Sozialismus nicht zu völliger
Klarheit empor gearbeitet hätte, in dem die einen Hüh und die
anderen Hott wollen, wäre nicht diese Kraft. Wollte es aber
einheitlich nur Hüh, hätte es die erforderliche Klarheit und
Einheit erreicht, dann wäre diese Kraft eben kein „Netzwerk“.
Das
heißt aber auch, sich über den Charakter des bei uns möglichen und
nötigen Parteityps Gedanken zu machen, gründlich darüber
nachzudenken. Das gebetsmühlenartige Gerede über die Partei neuen
Typs, ohne zu bedenken, unter welchen Bedingungen und wozu dieser
Parteitypus nötig gewesen sei, ohne zu beachten, dass diese Partei
völlig ungeeignet zur Lösung der heute bei uns anstehenden Aufgaben
wäre, reicht nicht. Aber an der Notwendigkeit einer klassenbewussten
Partei des arbeitenden Volkes führt kein Weg vorbei. Einer Partei,
die es auf jede nur denkbare Weise versteht, gegen
ideologisch-politische Massenvergiftung anzukämpfen. Gerade das ist
doch der tiefere Sinn der Gramsci-Orientierung, die „kulturelle“
Hegemonie des Kapitals zu brechen und an deren Stelle die des
arbeitenden Volks zu setzen. Ohne die Lösung dieser Aufgabe ist ein
Sturm auf die Festungen des Kapitals nicht möglich. Das bedeutet
nicht, auf intensivste Arbeit um antiimperialistische Bündnisse zu
verzichten, im Gegenteil. Ohne eine solche Bündnispolitik wird es
der auf sich allein gestellten Arbeiterklasse nicht gelingen, die
Kräfte des Imperialismus zu isolieren, zu schwächen und sie
schließlich zu besiegen – ich weiß: Lang, lang ist der Weg
dorthin, aber wir müssen ihn gehen. Aber Bündnisse ersetzen nicht
die Partei, wer das anders sieht, macht sich Illusionen über die
Kräfte und die Härte des imperialistischen Klassengegners.
Es
wäre übrigens schön, wenn Leos Klassenbewusstseins-Un-Theorie
zuträfe, wir brauchten uns dann nicht um die Entwicklung des
Klassenbewusstseins zu kümmern, es entstünde von selbst, spontan -
aber dann brauchte man auch keine kommunistische Partei mehr – und
das nun fände ich wiederum nicht schön!
Robert
Steigerwald
6 Kommentare:
Es wäre sicherlich hilfreich, an den Aufsatz direkt heran zu kommen, damit sich jeder ein Bild machen kann und natürlich, damit eine Kritik erarbeitet werden kann.
Aber der Brief sollte der Partei bekannt gemacht werden.
Der Aufsatz ist als PDF-Datei in diesem Post verlinkt. (Die erste Fußnote, hinter dem Pfeil.)
Ja, ok, habe es gefunden und gelesen. Leo Mayer hat mal wieder Unsinn verfasst.
Solche Plattheiten kann man doch nun bei bestem Willen keinen Marxisten unterstellen. Was Leo Mayer schreibt, klingt ja so, als würden Marxisten zu den Leuten gehen und sagen: "Wir wissen, wie es läuft, weil wir Marx gelesen haben, und so muss es sein, alles andere ist falsch. Deshalb muss alles so gemacht werden, wie wir es sagen." In den Schriften von Lenin, Stalin, Kalinin und vielen anderen lässt sich doch eine andere Herangehensweise nachlesen. Ebenso im "ABC des Kommunismus" von Bucharin.
In dem Fall gebe ich R. Steigerwald zu 100% Recht.
Hier ist noch ein Kommentar zu dem Thema. http://www.lesenswuerdigkeiten.de/2012/04/mayer-gramsci-und-die-diskussion-in-der.html
Leo Mayer wird als Theoretiker überbewertet. Robert Steigerwald hat es schon geschrieben und ich hoffe, in dem Artikel wird es auch klar.
Leo Mayer ist ein gewiefter Taktiker und ein Pragmatiker. Theoretisch neigt er zum Eklektizismus. Er kann träumen und hat Ideen. Das könnte anregend sein, wenn es einer kollektiven Diskussion und Überprüfung nicht entzogen würde. Dies geschieht jedoch. So wurden die "Thesen" des alten Sekretariats zwar vom 19. Parteitag der DKP mehrheitlich abgelehnt, dennoch wird die besonders umstrittene Parteiauffassung in diesem neusten Artikel wieder propagiert als hätte es keinerlei klärende Diskussion darüber gegeben. Wenn man mit dem Ergebnis der Diskussion nicht zufrieden ist, könnte man das ja begründen. Aber in einem sturen Verkündigungsstil die Argumente der anderen Seite - selbst wenn es sich um sachliche Widerlegungen handelt - einfach zu ignorieren, kann ja wohl nicht das Kennzeichen einer modernen kommunistischen Partei sein, die auf Mitwirkung und selbstständiges Denken ihrer Mitglieder setzen muß.
Da stimmt ich Dir 100%ig zu.
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