von Beate Landefeld
Ende 2011
waren 52% der Aktien der Deutschen Bank in Inlandsbesitz, 5% mehr als
2010. Als Ursachen nennt die Bank auf ihrer Homepage „eine aus dem
Ausland nach Deutschland verlagerte Verwahrung von institutionellen
Beständen sowie Aufstockungen von inländischen Privataktionären“
und eine „erstmals seit sechs Jahren wieder höhere Aktienakzeptanz
in Deutschland“ weil Staatsanleihen unsicher würden.
i
Fred Schmid nimmt den Anstieg des
Auslandsanteils bei den Aktionären der Deutschen Bank von 2008 bis
2009 zum Anlass, um auszurufen: „Erhöhung bzw. Verringerung um 9
Prozentpunkte binnen eines Jahres, das lässt die Dynamik erahnen.“
Und Conrad Schuhler sekundiert: „Die von Fred Schmid aufgebotenen
empirischen Daten können … nicht bestritten werden. Der
Auslandsanteil bei der Deutschen Bank ist von 2008 bis 2009 von 45%
auf 54% gestiegen.“
ii
Beide Autoren verzichten auf eine konkrete Analyse der Ursache dieser
Verschiebung.
Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise,
im Herbst/Winter 2008, war es zwischen dem Staat und den größten
privaten Finanzkonzernen der BRD zu einer Reihe von klassisch
staatsmonopolistischen Deals gekommen: Die Allianz wurde von der
maroden Dresdner Bank entlastet, indem ihr die Commerzbank die
Dresdner Bank abnahm. Zur Stützung der Commerzbank stieg der Staat
mit 25% bei ihr ein. Zugleich wurde der Deutschen Bank die Postbank
zugeschlagen und die Deutsche Post mit 8% vorübergehend zur größten
Aktionärin der Deutschen Bank. Die Deutsche Bank sollte vom
schwankungsanfälligen Investmentbanking unabhängiger werden.
Staat half der Deutschen
Bank
Während andere Großbanken dank
Krise schrumpften, half die Einverleibung der Postbank der Deutschen
Bank, ihre Bilanzsumme zu erhöhen und nach langer Pause 2012 wieder
zur größten Bank Europas zu werden.
iii
Conrad Schuhler meint, es gehe dem deutschen Staat bei seinem
Engagement für optimale Verwertungsbedingungen nicht primär um die
Interessen der deutschen Monopole, sondern um die „des von
Deutschland aus operierenden Kapitals – ob national-deutsch oder
international“. Das wirft Fragen nach dem Klassencharakter des
Staates auf.
Gewiß macht der Staat
auch
Standortpolitik, um Anleger zu
locken. Falsch wäre es, ihn darauf zu reduzieren. Der Staat ist kein
neutrales Gefäß, sondern Herrschaftsinstrument der Bourgeoisie.
Staat und Monopole sind auf vielfältige Weise miteinander
verflochten. Das gilt vor allem für die Finanzwirtschaft: wegen der
Unternehmensfinanzierung, der Staatsfinanzierung, der Finanzierung
der Sozialsysteme. „Der Finanzsektor ist die am meisten vom Staat
abhängende Branche,“ meint Lucas Zeise. Die Finanzverfassung eines
Landes ist die Organisationsform, „mittels derer sich
Kapitalgruppen als zusammengehörig und abgegrenzten Spielregeln
zugehörig verhalten“ und die zugleich Schutz nach außen gegenüber
ausländischen Kapitalgruppen bietet.iv
Die politische
Formierung der Bourgeoisie zur herrschenden Klasse ist mit dem
Nationalstaat verbunden. Sie nutzt ihn nicht nur nach innen, sondern
auch in der Weltmarktkonkurrenz, sei es durch ihre Vertreter in
internationalen Gremien wie EZB, IWF, OECD, beim Krisenmanagement der
G7 und G20 oder in NATO und UNO. Aufgrund der Ungleichmäßigkeit der
Entwicklung von Unternehmen und Staaten, ihrer unterschiedlichen
Stellung in der internationalen Arbeitsteilung, der Konkurrenz
zwischen den Monopolen, der unterschiedlichen Klassenverhältnisse
innerhalb der Staaten, unterscheiden sich die Interessen der
kapitalistischen Hauptmächte. Das ist so, trotz zunehmender
internationaler Verflechtung und gegenseitiger Abhängigkeit.
2009 hat die Post ihre
Deutsche-Bank-Aktien wieder verkauft. Der Inlandsanteil bei den
Aktionären der Deutschen Bank sank wieder. Seit 2000 schwankt er
zwischen 46% und 54%.
v
Parallel stieg bis 2007 der durchschnittliche Auslandsanteil von 24
DAX-Konzernen auf über 50%. Allianz und MunichRe hatten ihre
Überkreuzbeteiligungen aufgelöst und das Verhältnis Inland:Ausland
bei ihren Aktionären kehrte sich von 70:30 im Jahr 2000 zu 30:70
Prozent seit 2007 um. Die Steuerfreistellung von Veräußerungsgewinnen
2000 förderte diese und weitere Entflechtungen. Deutsche
Privatanleger hielten sich nach dem Platzen der New-Economy-Blase
abseits. Statt dessen stiegen ausländische Investoren ein.
Diese Verschiebung vermarktet das
Handelsblatt seitdem unter dem Motto „DAX-Konzerne mehrheitlich in
ausländischem Besitz“ – sozusagen als Kaufargument für deutsche
Anleger.
vi
Das Abstoßen von gegenseitigen
Beteiligungen war Teil der neoliberalen Restrukturierung des
Kapitalismus. Die Entfesselung des Finanzmarkts diente der
„Disziplinierung der Produktion“. Der als „Auflösung der
Deutschland-AG“ bezeichnete Vorgang darf jedoch nicht mit einer
Auflösung der deutschen Bourgeoisie verwechselt werden. Vielmehr
handelt es sich um eine Anpassung der deutschen Bourgeoisie an den
Vorrang der Weltmarktorientierung, die sie mit Unterstützung des
Staates und unter Aufkündigung von früher eingegangenen
Klassenkompromissen vollzogen hat.
Neoliberaler Umbau
Entflechtungen und Verschlankungen im
Inland verhalfen den Konzernen und Banken zur nötigen Flexibilität
und Finanzkraft für die Expansion auf dem Weltmarkt. Der Finanzmarkt
ist „wesentliche Funktionsbedingung und Weiterentwicklung des
Kapitalismus auf seiner monopolistischen Ebene“, da das Kapital nur
so „die erforderliche Größe, Beweglichkeit und Elastizität
erhält, um sich national und international zu verflechten, sich neue
Märkte und Kapitalanlagesphären zu erschließen.“ Dies gilt,
obwohl derselbe Finanzmarkt „damit zugleich – vor allem durch
seine großen unkontrollierten Finanzgeschäfte und riesigen
Finanzspekulationen – zum bedeutendsten ökonomischen
Destabilisierungsfaktor geworden ist.“
vii
Fred
Schmid und Conrad Schuhler reduzieren die Bourgeoisie auf die Manager
großer Fonds. Das ist einseitig. Sie sind nur ein Teil der
Finanzoligarchie, zu der auch die Spitzen der Konzerne, die
Milliardärsclans und Teile des Staatsapparats, wie Notenbanken,
Staatsbanken, Rettungsfonds und Aufseher gehören. Bei den größten
deutschen Konzernen haben alle Eigentümer
von der neoliberalen Restrukturierung profitiert, am stärksten die
Großaktionäre. Fonds fungieren selten als strategische Investoren,
auch Blackrock nicht. Manager und Großaktionäre werben um den
Einstieg ausländischer Fonds, weil sie als Ausweis von
Profitabilität gelten.
Konzernkontrolle
ist die Macht, das Management ein- oder abzusetzen. Zwischen Eigentum
und Kontrolle muß unterschieden werden. Bereits Marx, Engels und
Lenin betonen die Trennung von Eigentum und Verfügung in der
Aktiengesellschaft. Je nach Aktionärsstruktur gibt es
unterschiedliche Typen von Kontrolle. 1965 kam eine Studie zum
Verhältnis von Eigentum und Verfügungsmacht in den 100 größten
Konzernen der BRD zu dem Ergebnis: „Nicht die Vorherrschaft oder
gar Alleinherrschaft von Privateigentümern, von Privatmanagern oder
von Beauftragten der öffentlichen Verwaltung, sondern das
Nebeneinander dieser drei ist das für die gegenwärtigen
Kontrollverhältnisse repräsentative Phämonen.“
viii
1979 sah auch Heinz Jung (Institut
für Marxistische Studien und Forschungen) eine gemischte
Zusammensetzung der ökonomisch herrschenden Klasse:
„Mit dem Wachsen der Konzentration
und Monopolisierung ist … zum einen die Managerfraktion der
Bourgeoisie und Monopolbourgeoisie und zum anderen mit dem Ausbau des
staatsmonopolistischen Kapitalismus die bourgeoise Gruppe im
staatlichen Bereich gewachsen. Wesentlich ist auch ... der der
ökonomischen Verflechtung entsprechende Einfluss der Fraktion des
ausländischen Kapitals. … Sowohl bei den Managern als auch bei den
bourgeoisen Gruppen des Staatsapparats handelt es sich um jeweils
kooptierte und aggregierte Gruppen der Bourgeoisie und
Monopolbourgeoisie, die erst in dem Maße einen festen (und
erblichen) Platz in ihr erhalten, wie sie in der Lage sind,
kapitalistisches Eigentum zu bilden und kraft Eigentumstiteln
Verfügung über das Mehrprodukt zu erlangen.“
ix
Wie hat sich die Bourgeoisie in den
letzten 30 Jahren verändert, in denen sich der neoliberale oder
„finanzmarktgetriebene“ Kapitalismus entfaltet hat? Darunter wird
hier die Regulierungsweise verstanden, die sich bei den Eliten der
reichen Länder als Ausweg aus der chronischen Überakkumulationskrise
seit Mitte der 70er Jahre durchgesetzt hat. Charakteristika sind:
vorrangige Weltmarktorientierung (Globalisierung), Deregulierung,
Privatisierung, Umverteilung von unten nach oben.
x
Die Eigentümerstruktur bei den 100
größten Konzernen in Handel und Gewerbe weist 2008 die gleiche
Mischung von Kontrolltypen auf, wie frühere Untersuchungen,
xi
aber es gibt deutliche
Verschiebungen zwischen den Gruppen.
Nach Umsatzanteilen am Gesamtumsatz
der 100 waren 2008 mehr als ein Drittel unter Kontrolle von
Privateigentümern oder Unternehmerdynastien (Clankontrolle), ein
gutes Viertel unter Managerkontrolle, staatlich kontrolliert 14,3%
und ausländisch kontrolliert 18,2%.
„Restauration
von Klassenmacht“
Ein Vergleich zwischen 1958 – 1985
– 2008 zeigt folgende Verschiebungen: Von 1958 bis 1985 verringert
sich der Anteil der Clankontrolle. Der Anteil der staatlichen
Kontrolle steigt. Es gibt eine Verschiebung zu „mehr Staat und
weniger privat“. Von 1985 bis 2008 gibt es dagegen eine
Verschiebung zu „mehr privat und weniger Staat“. Der Umsatzanteil
clankontrollierter Unternehmen schnellt nach oben, verdoppelt sich
bis 2008 im Vergleich zu 1985 und ist sogar gegenüber 1958 um 65%
gestiegen. Dagegen sinkt der Staatsanteil annähernd auf das Niveau
von 1958.
Der Umsatzanteil der Konzerne unter
Managerkontrolle unterliegt in den drei Stichjahren nur kleinen
Schwankungen und der Anteil ausländisch kontrollierter Unternehmen
bleibt 1958 – 1985 – 2008 fast völlig konstant bei etwa 18%. Das
17. Hauptgutachten der Monopolkommission für 2006 kommt auf einen
Umsatzanteil ausländisch kontrollierter Unternehmen (inklusive
Finanzsektor) von 19% an den Umsätzen aller Unternehmen.
Neben der Gewichtung der
Kontrolltypen zeigt sich die fortschreitende Zentralisierung des
Eigentums unter den 100 größten Unternehmen: Waren 1958 nur 8 unter
Kontrolle eines anderen inländischen Konzerns auf der Liste der 100
Größten, so sind es 1985 schon 17 und 2008 sogar 32. Dazu kommen 14
hundertprozentige Töchter ausländischer Monopole. Den Eisberg
darunter zeigt das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn:
Danach werden Jahr für Jahr über 61% der Umsätze von nur 0,3% der
steuerpflichtigen Unternehmen erbracht, während 99,7% kleine und
mittlere Unternehmen (KMU) die übrigen knapp über 38% der Umsätze
erwirtschaften.
Unter den kontrollierenden
Großeigentümern 2008 sind: Porsche/Piech, Quandt, Haniel, Heraeus,
Oetker, Otto, Henkel, die ALDI-Brüder, Schwarz/Lidl, Mohn,
Schaeffler. Die starke Stellung der Clans in deutschen Konzernen wird
durch die Gegenprobe unterstrichen: eine Untersuchung der
Vermögensquellen der 122 deutschen Milliardäre des Jahres 2008
(nach der Liste des Managermagazins) ergibt, dass es zwischen großem
Reichtum und Konzerneigentum eine relativ starke Überschneidung
gibt:
Von den 122 Milliardären waren 83 Eigentümer oder Großaktionäre
von mindestens einer der 500 größten Firmen in Handel und Gewerbe.
15 weitere besaßen Firmen, die nicht zu den 500 Größten, aber zu
den 0,3% Großunternehmen zählen, welche fast zwei Drittel aller
Umsätze tätigen. Unter den Milliardärs-Clans sind
Familien-Holdings mit oft Hunderten von Gesellschaftern, die manchmal
mehr als hundert Firmen direkt und indirekt kontrollieren.
xii
David Harveys Definition des Neoliberalismus als „Restauration von
Klassenmacht”
xiii
trifft auf die BRD im wahrsten Sinne des Wortes zu, wie die
Verschiebung zugunsten der ökonomischen Macht der Clans zwischen
1985 und 2008 zeigt.
Die Konzernauswahl im DAX erfaßt
einen Teil der deutschen monopolistischen Wirtschaft. Die gemischte
Zusammensetzung der ökonomisch herrschenden Klasse spiegelt sich
auch hier. Eine Recherche der FAZ über die DAX-Konzerne 2011 faßt
zusammen:
„Noch aber übt bei 16
DAX-Unternehmen ein deutscher Großaktionär wesentlichen Einfluss
aus. Fünfmal ist es der Staat. … Die meisten Großaktionäre sind
jedoch die Familien der Unternehmensgründer oder der langjährigen
Gesellschafter. … Wesentlich unübersichtlicher ist die
Mehrheitslage bei den 14 Dax-Unternehmen ohne maßgeblichen deutschen
Großaktionär. Einen bestimmenden ausländischen Anteilseigner gibt
es nämlich nirgends.“
xiv
_________________ (Quelle: Unsere Zeit 6.4.2012) ___________________
i http://www.deutsche-bank.de/ir/de/content/aktionaersstruktur.htm
ii Fred
Schmid, Die Herren des Geldes. UZ 2.3.2012. Beiträge Conrad
Schuhler, Fred Schmid. UZ 23.3.2012. Zitate sind aus diesen Quellen.
iii „Deutsche
Bank wächst sich gesund“, Handelsblatt 28.3.2012
iv Lucas
Zeise, Geld – der vertrackte Kern des Kapitalismus. 2010, S. 165,
176
v Tabelle:
http://beatelandefeld.blogspot.de/2012/03/deutsche-bank-wieder-in-deutscher-hand.html
vii Gretchen
Binus, Neue Züge im heutigen staatsmonopolistischen System.
Marxistische Blätter 2-2011, S. 49
viii Helge
Pross, Manager und Aktionäre in Deutschland. Untersuchungen zum
Verhältnis von Eigentum und Verfügungsmacht. EV Ffm 1965. S. 115f.
ix Heinz
Jung/Josef Schleifstein, Die Theorie des staatsmonopolistischen
Kapitalismus und ihre Kritiker. VMB Ffm 1979, S. 70
xiv „Ausverkauf
der Deutschland-AG“, in: FAZ online 11.5.2011
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