- In der Grundsatzerklärung von 1969 heißt es dazu: „Die DKP erstrebt den für das arbeitende Volk günstigsten Weg zum Sozialismus, einen Weg ohne Bürgerkrieg. Es waren immer die herrschenden reaktionären Klassen, die zur Rettung ihrer Macht und ihrer Vorrechte blutige Gewalt gegen das Volk anwandten. Nur im harten Klassen- und Volkskampf gegen den unvermeidlichen Widerstand der großkapitalistischen Interessengruppen kann die sozialistische und antimonopolistische Volksbewegung die Kraft erlangen, um die Reaktion an der Anwendung von Gewalt zu hindern.”(S. 46,47)
- Im Mannheimer Programm von 1978 heißt es: „Das für den Vormarsch zum Sozialismus hauptsächliche Hindernis stellt die ökonomische und politische Macht der Monopole dar. ... Wie sich dieser Weg konkret gestalten wird – das hängt vor allem von der Kraft der Arbeiterklasse, von der Stabilität ihres Bündnisses mit den anderen demokratischen Kräften, von der Stärke ihrer revolutionären Partei, aber auch von den Formen des Widerstandes der Reaktion ab. Die DKP baut auf die Arbeiterklasse und die Entfaltung ihrer Kraft, auf ein breites demokratisches Bündnis. Sie behält zugleich die Erfahrung ... im Auge, dass das herrschende Großkapital, wenn es seine Macht und Privilegien bedroht sah, stets versucht hat, den gesellschaftlichen Fortschritt durch Wirtschaftssabotage und politische Diversion, durch Terror und blutige Gewalt gegen das Volk aufzuhalten. Im harten Kampf muss durch die Arbeiterklasse und das ganze werktätige Volk der unvermeidliche Widerstand des Großkapitals überwunden und ein solches Übergewicht der zum Sozialismus strebenden Kräfte erreicht werden, das es ermöglicht, die Reaktion an der Anwendung blutiger konterrevolutionärer Gewalt zu hindern...” (S. 66)
- Im Programm von 2006 heißt es: "Wie sich der Weg konkret gestalten wird, hängt ab von der Kraft der Arbeiterklasse, der Stabilität des Bündnisses mit anderen demokratischen
Kräften, vom Einfluss der Kommunistinnen und Kommunisten, aber auch von den Formen des Widerstands der Reaktion. Die Erfahrungen des Klassenkampfes lehren, dass die Monopolbourgeoisie, wenn sie ihre Macht und Privilegien bedroht sah, stets versucht hat, den gesellschaftlichen Fortschritt mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verhindern, bis hin zur Errichtung der faschistischen Diktatur und zur Entfesselung von Bürgerkriegen. Im harten Kampf muss ihr unvermeidlicher Widerstand überwunden und ein solches
Übergewicht der zum Sozialismus strebenden Kräfte erreicht werden, das es ermöglicht, die Reaktion an der Anwendung von Gewalt zu hindern und den für die Arbeiterklasse und ihre Bündnispartner günstigsten Weg zum Sozialismus durchzusetzen." (S 32 f) Im Anschluss an eine Darstellung grundlegender Züge einer künftigen sozialistischen Gesellschaft wird ausgeführt: „All dieses kann jedoch nur geschaffen und erhalten werden, wenn den Kapitalisten die entscheidenden Produktionsmittel genommen werden und damit die Möglichkeit beseitigt wird, die Gesellschaft der Profitlogik zu unterwerfen. Darum müssen alle Versuche der entmachteten Ausbeuter, die mit der Verfassung und den Gesetzen des sozialistischen Staates unvereinbare kapitalistische Ausbeuterordnung wiederherzustellen, auf der Grundlage sozialistischer Gesetzlichkeit unterbunden werden. ... Es ist die Aufgabe der Kommunistinnen und Kommunisten, sozialistisches Bewußtsein in den Massen zu entwickeln, sie für das selbstständige, initiativreiche Wirken beim Aufbau des Sozialismus zu gewinnen und für dessen Verteidigung gegen alle Versuche zu mobilisieren, den Kapitalismus wiederherzustellen.” (S. 23)
Sonntag, 31. Januar 2010
Zur Frage der Glaubwürdigkeit im Kampf um Demokratie und Sozialismus
Im Thesenentwurf des Sekretariats
wird der Sozialismus als Lösung für die gegenwärtigen
Menschheitsprobleme propagiert, da der Kapitalismus bei ihrer Lösung
versagt habe. Sozialismus wird als Prozess der Emanzipation und
Demokratisierung beschrieben. Zwar ist die Rede von der
Notwendigkeit einer revolutionären Veränderung, doch fehlen
Aussagen zu den ökonomischen und politischen Grundlagen des
Sozialismus und zu den Machtverhältnissen, die einer revolutionären
Veränderung im Wege stehen. Der Kampf um Sozialismus verschmilzt
mit dem Eintreten für einen Richtungswechsel in der Politik und
damit einher gehenden Verhaltensänderungen bei den Menschen.
Ein Richtungswechsel ist noch kein
Sozialismus
Das Programm der DKP formuliert als
strategisches Ziel für die nächste Etappe den Kampf um eine „Wende
zu demokratischem und sozialem Fortschritt”. Damit ist ein
Kräfteverhältnis gemeint, das den Übergang vom Abwehrkampf gegen
die seit Jahrzehnten anhaltende Offensive des Kapitals in eine
Gegenoffensive der arbeitenden Bevölkerung markiert, nicht nur
punktuell, sondern im gesamtgesellschaftlichen Maßstab. Dieses
strategische Ziel soll den Weg zum Sozialismus öffnen helfen, ist
aber selbst noch kein Sozialismus. Im Kampf um die demokratische
Wende, das heißt für Alternativen, die von der Mehrheit der
Bevölkerung schon heute für richtig gehalten werden, soll sich der
subjektive Faktor herausbilden, der in der Lage sein wird, den
direkten Kampf um den Sozialismus aufzunehmen.
Die Notwendigkeit, einen
Richtungswechsel in der Politik durchzusetzen, ist also unumstritten.
Doch darf ein solcher Richtungswechsel nicht mit dem Kampf um den
Sozialismus verwechselt werden. Wer das tut, reduziert die nötige
sozialistische Umwälzung im besten Falle auf eine Reformstrategie,
im wahrscheinlicheren Falle nicht einmal auf das.
Dass die Menschen im Kampf für
Fortschritt sich selbst ändern, dass sie dabei die Fähigkeit
erwerben, eine bessere Gesellschaftsordnung zu errichten, dass sie
neue und andere Bedürfnisse entwickeln und sich in die Lage
versetzen, für Natur und Mensch verträglichere Produktivkräfte zu
gestalten, wird heute breiter diskutiert, als noch zur Zeit der
„neuen sozialen Bewegungen” der 80er Jahre. Eine Mehrheit der
Bevölkerung hält die Maßnahmen gegen den Klimawandel für nicht
ausreichend. Der DGB fordert in seinem Konjunkturprogramm von Ende
2009 das Beschreiten eines „qualitativ neuen Wachstumspfades”,
durch mehr staatliche Investitionen in Bereichen wie
Energieeinsparung, bessere Umweltbedingungen, Öffentlicher
Personennahverkehr, Erziehung und Bildung, Kultur, Gesundheit und
Breitensport. Er empfiehlt als mittelfristigen Ausweg aus der Krise
einen Abbau der extremen Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft
gerade auch durch deren stärkere Ausrichtung an gesellschaftlichen
Bedürfnissen. Ein solches Umsteuern kann nur im harten Kampf gegen
mächtige Interessen durchgesetzt werden. Ohne massive Mobilisierung
der Gewerkschaften ist dies nur schwer vorstellbar.
Schon ein Richtungswechsel stößt
auf mächtige Gegenkräfte
Forderungen nach Ökologisierung der Wirtschaft und
Übergang zu nachhaltiger Produktionsweise sind – von Ausnahmen wie
Wolfgang Harich abgesehen – in der marxistischen Diskussion früher
vernachlässigt worden. Daraus abgeleitete Forderungen nach
grundlegenden Änderungen im Konsumverhalten der Individuen wurden zu
Unrecht oft belächelt. Aber es gilt auch, „dass die Beschränkung
oder auch nur die hauptsächliche Konzentration auf individuelle
Verhaltens-änderungen die Gefahr mit sich bringen, daß die
ökonomischen Interessen und die politische Durchsetzungsmacht
verkannt oder zumindest unterschätzt werden”. Jörg Huffschmid
warnte in diesem Zusammenhang 1995 vor zwei Gefahren: „erstens
einer Leugnung oder Verkennung von Interessenunterschieden und
-gegensätzen und zweitens vor Illusionen hinsichtlich der Härte der
politischen Auseinandersetzung ... Während diejenigen, die der
ersten Gefahr aufsitzen, sich gewöhnlich irgendwann im Lager derer
wiederfinden, die die Gemeinsamkeit der Interessen über die
Notwendigkeit von Veränderungen stellen, führen geplatzte
Illusionen häufig zum Abschied von politischen Ambitionen
überhaupt...”1
Wohlgemerkt –
Huffschmid spricht hier nicht von der sozialistischen Revolution,
sondern von der von ihm befürworteten Reformalternative, das heißt
einer Entwicklung noch unter kapitalistischen Bedingungen.
Die DKP schätzt seit
der Krise Mitte der 70er Jahre ein, dass die Bedingungen für die
Durchsetzung demokratischer Reformen sich verschlechtert haben, weil
der materielle Spielraum des Imperialismus für soziale
Zugeständnisse geringer geworden ist. Der Neoliberalismus war die
sozialreaktionäre Antwort der Bourgeoisien auf diese Entwicklung.
Ihre Wende nach rechts erhielt durch den Zusammenbruch der
sozialistischen Länder zusätzliche Schubkraft. In ihrem Programm
von 2006 kommt die DKP daher zu der Schlußfolgerung, dass
„herkömmliche soziale und demokratische Reformen ... näher an die
Notwendigkeit grundlegender antimonopolistischer Umgestaltungen
heran” rücken.
Die gegenwärtigen
erbitterten Auseinandersetzungen um eine so bescheidene Reform, wie
Obamas Gesundheitsreform in den USA, sprechen für den
Realitätsgehalt dieser Einschätzung.
Demokratische Etappen im Kampf um
den Sozialismus
Kurz vor seinem Rückzug vom
Parteivorsitz der PDL hielt Oskar Lafontaine im Saarland eine Rede,
die von der Zeitschrift „Junge Welt” als „programmatische Rede”
eingestuft wurde. Darin sprach er sich für „die demokratische
Erneuerung von Staat und Gesellschaft” aus. Das weckte bei mir
Jugenderinnerungen. Als ich 1970 Mitglied der DKP wurde, war die
Programmatik der DKP in Form der Grundsatzerklärung ihres Essener
Parteitags 1969 formuliert. Die Grundsatzerklärung nannte als
nächstes strategisches Ziel die „demokratische Erneuerung von
Staat und Gesellschaft” der Bundesrepublik. Das war in einer Zeit,
in der sehr vieles zum Positiven hin in Bewegung war: die
Kalte-Kriegs-Ära und jahrzehntelange CDU-geführte Regierungen
gingen zu Ende, eine große außerparlamentarische Opposition hatte
sich gegen Notstandsgesetze und die US-Aggression in Vietnam
gebildet, die Gewerkschaften beteiligten sich zunehmend an der
Kampagne für Demokratie und Abrüstung (so nannten sich damals die
Ostermärsche).
Der antiautoritäre
Studententenführer Rudi Dutschke sprach Ende der 60er Jahre von
„einer vorrevolutionären Situation” und erwartete ein
„wellenförmiges Übergreifen” des sozialistischen
Protestpotentials von den Universitäten auf die arbeitende
Bevölkerung.
Ich ging in die DKP, weil ich für
den Sozialismus war. Das Ziel der demokratischen Erneuerung von Staat
und Gesellschaft erschien mir nicht besonders revolutionär, aber ich
sagte mir: Wenn ich erstmal drin bin, kann ich ja mitdiskutieren und
die Entwicklung des Programms mitbestimmen. Erst in der DKP
beschäftigte ich mich, wie viele andere meiner Generation mit der
theoretischen und historischen Entstehung der Strategie der DKP.
Diese mußten wir gegen das Trommelfeuer einer „Revisionismuskritik”
von Maoisten verteidigen, von Leuten, die heute teils zum rechten
Flügel der Grünen gehören, wie Ralf Fücks, damals KBW, in
Einzelfällen aber auch direkte Teilnehmer am strategischen Diskurs
der Bourgeoisie geworden sind, wie Bernd Ziesemer, heute
Chefredakteur des Handelsblatts, damals Führer der legalen
maoistischen KPD.
Natürlich haben wir in dieser
Auseinandersetzung jede Menge ehemals maoistisch denkende Genossinnen
und Genossen überzeugen und für unsere Partei gewinnen können. Vor
allem aber war es eine gute Schule für uns selber. Es motivierte uns
zu einer gründlichen Beschäftigung mit der Geschichte der
kommunistischen Bewegung. Wir vertieften unser Verständis der zwei
Etappen der russischen Revolution, der revolutionär-demokratischen
und der sozialistischen Etappe.
Russische Revolution –
Antifaschistischer Widerstand – Chile
Lenin polemisierte 1902 in „Was
tun?” gegen die Opportunisten, die die demokratische Etappe der
Revolution, die auf den Sturz der zaristischen Selbstherrschaft
zielte, der Bourgeoisie überlassen und die Rolle der Arbeiterklasse
auf ihre eigene ökonomische Interessenvertretung beschränken
wollten. Für ihn war klar, dass die Ausgangslage für eine künftige
sozialistische Revolution umso günstiger wäre, je besser es der
Arbeiterklasse gelänge, bereits in der demokratischen Etappe die
Hegemonie zu erlangen. Für beide Etappen gab es mehr als einen
Anlauf und zwischen den Anläufen Rückschläge. Die Masse der
Bevölkerung bestand aus Bauern, nicht aus Arbeitern, also war die
Bündnisfrage eine Schlüsselfrage der Revolution.
Gramsci hat später Lenins
Hegemoniebegriff für Staaten mit bürgerlich-parlamentarischen
Verhältnissen weiter entwickelt. Hegemonie zu erlangen, setzt unter
anderem (und schon bei Lenin) voraus, die jeweilige Etappe des
Kampfes richtig zu bestimmen und eine ihr entsprechende, breitest
mögliche Bündnispolitik zu entwickeln. Die manchmal auch bei uns
anzutreffende Interpretation von Hegemonie als „Bevormundung” von
Bündnispartnern ist weder leninistisch, noch gramscianisch, noch
zeugt sie von einem vorurteilsfreien Blick auf kommunistische
Politik. Dass es in der Geschichte Praktiken gegeben hat, die
Vorurteile zu bestätigen scheinen, steht auf einem anderen Blatt.
Solche Fehler trugen zu Niederlagen bei und sind ein Grund mehr,
Lenins und Gramscis Erkenntnisse intensiv zu studieren. Dann merkt
man auch, wenn diese Erkenntnisse in verballhornter Form
interpretiert werden, um sie leichter „widerlegen” zu können.
Es zeigt sich am Beispiel der
russischen Revolution, dass die Frage der richtigen Bestimmung des
strategischen Ziels für eine bestimmte Etappe zwar auch, aber
keineswegs nur eine Frage von „internationalen Bedingungen”
ist, wie Björn Blach eingewendet hat. Sie ist ebenso eine Frage des
Zustands des subjektiven Faktors, seiner sozialen Zusammensetzung,
seiner Sozialpsychologie, seines Bewußtseinsstandes.
Ein wichtiger Einschnitt in der
Strategieentwicklung der kommunistischen Bewegung war der VII.
Weltkongress der Kommunistischen Internationale 1935, auf dem
Schlussfolgerungen aus der Niederlage der Arbeiterbewegung gegen den
Faschismus gezogen wurden. Der Abwehrkampf gegen den Faschismus
sollte in eine Offensive übergeleitet werden durch die Erkämpfung
von Regierungen der Arbeitereinheitsfront aus Kommunisten und
Sozialdemokraten, die zugleich als mögliche Formen des Herankommens
an die sozialistische Revolution gesehen wurden. Auch auf die
Einbindung bürgerlich-demokratischer Kräfte in den
antifaschistischen Kampf wurde orientiert. In Frankreich und Spanien
kam es zu antifaschistischen Volksfrontregierungen.
In Chile wurde 1973 die
Volksfrontregierung unter dem Marxisten Allende durch einen Putsch
der Konterrevolution im Blut ertränkt. Es war den sozialistischen
und demokratischen Kräften nicht gelungen, relevante Teile von
Polizei und Armee auf die Seite der Volksbewegung zu ziehen, um die
Anwendung konterrevolutionärer Gewalt durch revolutionäre Gewalt zu
verhindern oder zu minimieren. Das Beispiel Chile zeigt, dass die
Aufgabe, einen möglichst unblutigen Weg zum Sozialismus zu finden
und durchzusetzen, sich nicht in jedem Fall erst während der
sozialistischen Revolution stellt, sondern sich auch schon bei den
möglichen Formen des Herankommens stellen kann.
Wie die Programmatik der DKP die
Frage der Gewalt reflektiert
In allen Programmen, die seit der
Konstituierung der DKP beschlossen wurden, wird die Frage der
herrschenden Gewalt reflektiert:
Es wird deutlich, dass sich besonders
im Programm von 1978 die chilenische Erfahrung reflektiert, die zu
dieser Zeit noch frisch war. Sie scheint Jahrzehnte später nicht
mehr so lebendig zu sein, wenn es möglich ist, dass ein
Thesenentwurf des Sekretariats der DKP von Sozialismus spricht, ohne
sich groß mit den Machtverhältnissen zu beschäftigen, die ihm im
Wege stehen, und damit, wie diese zu überwinden sind und was an ihre
Stelle treten soll. Realismus ist für eine sozialistische
Perspektive, die glaubwürdig sein soll, jedoch unabdingbar! Zudem
verschwinden historische Erfahrungen, die sich in Programmen und in
den Biographien von Generationen niedergeschlagen haben, ja nicht
dadurch, dass man sie „übersieht”.
Würde eine Revision des
Parteiprogramms in einer so zentralen Frage eingeleitet, so könnte
das die DKP nur schwächen: theoretisch, politisch und moralisch. Der
Entwurf des Sekretariats soll nach der offiziellen Lesart das
Programm nicht ersetzen, so wurde es nach Interventionen von
Genossinnen und Genossen versichert und in der dann veröffentlichten
zweiten Fassung durch ein paar Zitate aus dem Programm an der einen
oder anderen Stelle „belegt”. Da der Entwurf jedoch noch immer
reichlich mit Reizwörtern wie „Diktatur”, „Zwang”,
„Hineintragen von Bewußtsein” und anderem Bösen gespickt ist,
ohne sich die Mühe zu machen, solche von Marx, Engels und Lenin
benutzten Begriffe zu erläutern, fällt es schwer, an den beteuerten
„nichtprogrammatischen” Charakter zu glauben. Mindestens entsteht
hier neben dem gültigen Programm eine neue programmatische
Plattform für einen Teil der Partei.
Abgrenzung vom bisherigen
Sozialismus in Europa
Natürlich ist
es kein Zufall, dass diese Thesen auch die bisherigen
Sozialismusversuche in Europa nur negativ malen. Leo Mayer erhielt
auf der Website kommunisten.eu die Gelegenheit, diese umstrittenen
Stellen zu rechtfertigen, schon bevor das Sekretariat die Thesen und
die kritischen Stellungnahmen, die es dazu gab, der Gesamtpartei
zugänglich gemacht hatte. Er verteidigt den „Verriß” des
bisherigen Sozialismus mit der Form, in der er platziert wurde: Es
sei um eine Darstellung des Bilds vom Sozialismus gegangen, wie es
„in der Bevölkerung” vorhanden sei. Natürlich weiß Leo, dass
es dazu empirische Untersuchungen gibt. Ihre Ergebnisse fallen in Ost
und West unterschiedlich aus, sind aber erheblich differenzierter als
das in den Thesen gemalte Bild.
Empirisch
untersucht wird diese Frage von den Instituten der Bourgeoisie. Sie
macht sich Sorgen, weil zu viele im Osten ein positives DDR-Bild
haben, auch Schüler. Das dafür kreierte Schimpfwort lautet
„Ostalgie”. In der gegenwärtigen Krise intensiviert die
bürgerliche Propaganda ihre Versuche einer Delegitimierung der DDR.
Obwohl kaum eine Partei der BRD dem etwas entgegensetzt und auch die
PDL nur halbherzig widerspricht, lehnten laut einer Umfrage im März
2009 41% der Ostdeutschen den Begriff „Unrechtsstaat” für die
DDR ab, 28% hielten ihn für treffend und 25% für teilweise
zutreffend.
In den Thesen
wird eine Auswahl von Ansichten zur DDR als die Ansicht „der
Bevölkerung” dargestellt. Kommunistische Ansichten zur DDR, wie
sie in unserem Programm formuliert sind, die sowohl positiv
würdigend ausfallen, wie auch selbstkritisch und Lehren ziehend,
werden dem nicht entgegen gestellt. Die Kritik, der bisherige
Sozialismus werde in den Thesen ausschließlich negativ gezeichnet,
kann mit trickreichem Verweis auf die Form der Darstellung nicht
entkräftet werden. Wie sollen Thesen, die sich der Hegemonie der
bürgerlichen Darstellung des bisherigen Sozialismus unterwerfen,
statt sie anzugreifen, zu positiven Sozialismus-Vorstellungen in der
BRD beitragen können?
Auf dem
Hintergrund der negativen Darstellung des bisherigen Sozialismus kann
die Proklamation eines „demokratischen Wegs zum Sozialismus”, den
wir einzuschlagen hätten, nicht mehr überraschen. Sind wir bisher
einen „undemokratischen Weg” gegangen? Ist die Forderung unseres
Programms nach der politischen Macht der Arbeiterklasse im Bündnis
mit allen demokratischen Kräften Kennzeichen eines „undemokratischen
Wegs”? Waren die Oktoberrevolution und die kubanische Revolution
„undemokratisch”? Es ist modisch geworden, kommunistischen
Parteien vorzuwerfen, sie seien immer nur auf ein einziges
„Sozialismus-Modell” fixiert gewesen. Für die von der DKP
entwickelte Politik für die Bundesrepublk traf dieser Vorwurf nie
zu. Bereits in ihrer Grundsatzerklärung 1969 heißt es:
„Die
sozialistischen und fortschrittlichen Kräfte der Bundesrepublik
werden unter Berücksichtigung der Erfahrungen der internationalen
und der deutschen Arbeiterbewegung die Formen und Methoden des
Kampfes um den Sozialismus in der BRD gemeinsam erarbeiten. Dabei ist
infolge der andersgearteten geschichtlichen Situation und der
unterschiedlichen Ausgangsbedingungen eine schematische Nachahmung
des in der DDR und in anderen sozialistischen Ländern beschrittenen
Weges nicht möglich.” Das gilt natürlich auch heute, und dazu
bedarf es keiner Belehrungen zum Thema „Diktatur”.
Keine Notwendigkeit, vom
Parteiprogramm abzurücken
Das
Programm der DKP von 2006 ist das einzige marxistische Programm einer
Partei in der Bundesrepublik. Es ist verteidigenswert, auch wenn es
die eine oder andere Kompromißformel enthält. Dass es in der DKP
mehrere Strömungen gibt, ist offenbar bei anhaltender Krise der
internationalen kommunistischen Bewegung nicht zu vermeiden. Doch
sollte um Übereinstimmung gerungen werden. Das setzt allerdings
Dialogbereitschaft statt Konfrontation und Ausgrenzung voraus. Ein
konfrontativer Crash-Kurs läuft Gefahr, die Partei als Ganzes zu
zerstören, nicht nur einen Flügel, den man nicht mag. Wer dies
nicht will, sondern die DKP als selbständige kommunistische Partei
erhalten will, hat keinen Grund, vom gültigen Programm abzurücken.
Der Beschluß des Parteivorstands, den Thesenentwurf als Antrag zum
nächsten Parteitag zurückzuziehen und auf einer theoretischen
Konferenz 2011 zu diskutieren, um „eine organisationspolitische
Zuspitzung auf dem Parteitag zu vermeiden” (Referat Leo Mayer), war
deshalb ein Schritt in die richtige Richtung.
Nun
kommt es darauf an, den Parteitag so vorzubereiten, dass er mit der
jetzt vorgesehenen politischen Resolution auf der Grundlage des
Programms der DKP und mit einem Antrag zur Aktionsorientierung die
Handlungsfähigkeit der Partei erhält. Beide Dokumente sollen bis
Ende März vom PV erarbeitet werden.
Die
parallel eingeleitete Diskussion des Thesenentwurfs soll in eine
theoretische Konferenz 2011 münden. Damit wurde die Kuh zunächst
vom Eis gebracht und zum Grasen auf eine weniger verbindliche
Nebenwiese geführt. Ähnlich wie das Papier der 84 sollen die Thesen
auch auf der Website „Debatte” diskutiert werden. Ich begrüße
die Diskussion, denn die den Thesen zugrunde liegenden Gedanken sind
unterschwellig sowieso in Teilen der Partei vorhanden und müssen, wo
nötig, „zerpflückt” werden. Dazu soll auch dieser Beitrag
dienen. Das heißt nicht, dass ich alles falsch finde, was in den
Thesen steht. Es sind auch richtige Gedanken drin, aber das gilt auch
für die Thesen der 84er.
1
Zitiert aus: Jörg Huffschmid, Weder toter Hund noch schlafender
Löwe. Die Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus” -
SPW, Heft 2-1995. Nachdruck in Heft 1-2010 der Marxistischen Blätter
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