„Ich glaube nicht an Amerika allein. Genauso wenig, wie ich an Europa allein glaube. Ich glaube an Amerika und Europa zusammen,“ beteuerte Generalsekretär Stoltenberg beim 75. Jubiläum der NATO. Trump hatte zuvor im US-Wahlkampf gedroht, säumigen Beitragszahlern den NATO-Beistand zu verweigern. Stoltenberg pries die Vorzüge der europäischen Verbündeten, die „über erstklassige Streitkräfte, umfangreiche Geheimdienstnetzwerke und einen einzigartigen diplomatischen Einfluss“ verfügten, die „Amerikas Macht vervielfachen“ könnten. Eine „gerechte Lastenverteilung“ sei jedoch „unerlässlich.“ Höhere Lasten für die Europäer will auch Trump mit seinen Drohungen erzwingen.
Stoltenberg schlug ein 100-Milliarden Paket der NATO vor, das
die Militärhilfe für die Ukraine für die nächsten 5 Jahre verstetigen soll. Laut
„Financial Times“ soll es die Unterstützung der Ukraine „Trump-fest“ machen. BRD-Außenministerin
Baerbock reagierte skeptisch. Es gebe schon einen Geldtopf der EU mit demselben
Ziel. „Doppelungen“, „Jonglieren mit Zahlen“ bringe nichts. Resonanz fand Stoltenbergs
Vorschlag, die NATO solle künftig offiziell die diversen Ukrainehilfen
koordinieren. Bisher tun dies die USA im „Ramstein-Format“. Pistorius gab im
Windschatten des NATO-Jubiläums eine Bundeswehrreform bekannt. Man erwäge auch die
Wiedereinführung der Wehrpflicht.
Vor dem NATO-Jubiläum erschien in der Zeitschrift „Politico“
ein gemeinsamer Beitrag BRD-Außenministerin Baerbocks, ihres französischen
Kollegen Séjourné und von Polens Außenminister Sikorski, ein Appell an die
„Europäer“, die Ukraine „as long as it takes“ gegen den „russischen Imperialismus“
zu verteidigen. Zugleich sei die EU auf „Verteidigungsfähigkeit“ zu trimmen:
politisch, militärisch und durch Schaffung der nötigen industriellen Basis. Zwar
bleibe die NATO „unser Sicherheitsanker“, ihr „europäischer Pfeiler“ sei aber zu
stärken. „Europa“ müsse sich notfalls auch ohne Hilfe der USA verteidigen
können. Da der Russe die „europäische Friedensordnung“ bedrohe, müsse es aufrüsten.
Das wieder aufgewärmte Narrativ des Kalten Kriegs, „der
Russe kommt“, wird daran festgemacht, dass Putins Russland im Ukrainekrieg dabei
ist, die weitere NATO-Ostexpansion militärisch zu stoppen, nachdem USA und EU jahrzehntelange,
politisch-diplomatische Abwehrversuche Russlands ignorieren zu können glaubten.
Die NATO-Niederlage in der Ukraine behindert nun die weitere EU-Ostexpansion. Kann
die EU, falls in den USA die China-Falken die Oberhand über die Russland-Falken
gewinnen und die USA ihre Kräfte auf Asien konzentrieren, ihre Ostexpansion
eigenständig militärisch flankieren? Heute und auf absehbare Zeit kann sie es
nicht, sagen ihre Thinktanks. Das erfordere einen Umbau von Jahren oder Jahrzehnten.
Die EU hat keine einheitliche Außenpolitik und kein
einheitliches militärisches Kommando. Jahrelanges Schüren von Spannungen mit Russland
förderte zwar ihre russophobe Formierung, brachte aber keine reale Integration.
Die Staaten verfolgen weiter ihre unterschiedlichen Interessen. So kommen nur
„Koalitionen der Willigen“ zustande. Brüssel und Berlin setzen ihre ehrgeizige
Ostexpansion fort. Unter anderem soll Serbien in die EU, dessen Bevölkerung
mehrheitlich lieber den BRICS beitreten würde. Zugleich befürwortet das Regierungsprogramm
der Ampelkoalition die Einschränkung des Vetorechts bei außenpolitischen
Entscheidungen. Es befürwortet, langfristig aus der EU einen Bundesstaat zu machen.
Beide Vorhaben eignen sich als Sprengsätze am Fundament der EU.
Mit dem Konfliktkurs gegen Russland und China will der
Westen seine Hegemonie über die globale Mehrheit konservieren. Den
Bevölkerungen drohen damit nur größere soziale Belastungen, Demokratieabbau und
Kriegsgefahr, also der Verlust alles dessen, was die EU angeblich so attraktiv
macht.
Die Kolumne von Beate Landefeld erschien zuerst in "unsere zeit" vom 12.4.2024.
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