Freitag, 11. August 2017
Venezuela und die „Sorge um die Gewaltenteilung“
Im Juli 2017 war die Bevölkerung Venezuelas dreimal zur
Abstimmung aufgerufen. Am 16. Juli veranstaltete die Wahlbehörde CNE einen Testlauf
für die Wahl der Verfassunggebenden Versammlung (Constituyente), laut CNE mit einer
„massiven Beteiligung“. Am gleichen Tag organisierte das Oppositionsbündnis MUD
ein Votum für den Sturz von Maduro, für die Bildung einer Parallelregierung und
für die Verhinderung der Wahl zum Verfassungskonvent. Bei dieser rechtlich unverbindlichen
Abstimmung konnte, laut eines Tweets des Oppositionsführers Borges, „jeder
teilnehmen, ob als Wähler eingeschrieben oder nicht, mit gültigem Ausweis oder
ohne“. Im Anschluss verkündete die Opposition 7,2 Millionen hätten sich beteiligt.
Die Zahl ist nicht überprüfbar. Die Wahlzettel wurden laut Opposition verbrannt,
„um Repressalien zu vermeiden“. Dennoch unterstellen die großen US- und EU-Medien
die 7,2 Millionen als Faktum. Die US-Regierung und EU-Regierungen machen damit
Politik.
Die dritte Abstimmung war die Wahl zur Constituyente am 30.
Juli. Gegen sie wurde im Vorfeld weltweit mobilgemacht. US-Präsident Trump kündigte
„starke wirtschaftliche Sanktionen“ an, sollte die Wahl stattfinden. Für die EU-Außenbeauftragte
Mogherini erhöhte die Wahl das Risiko der Konfrontation. Die deutsche Regierung
legte Maduro nahe, nach dem „überwältigenden Ausdruck des Wählerwillens“ (durch
die nicht überprüfbare Oppositions-Abstimmung) einzulenken und die Einberufung
des Verfassungskonvents zu überprüfen. In Venezuela rief die Opposition den „Generalstreik“
aus, bildete Organe einer Parallelregierung und ging am 30. Juli mit Gewalt und
Terror gegen die Wahl vor. Es half nichts. Die Wahl fand statt. Laut CNE
beteiligten sich über 8 Millionen. Da man sie nicht verhindern konnte, stellte man
nun die Legitimität der Wahl infrage. Trump verschärfte die seit 2014
bestehenden US-Sanktionen. Der Vatikan sprach sich gegen die Einberufung der
Constituyente aus.
Für die „westliche Wertegemeinschaft“ droht mit dem Verfassungskonvent
die „Diktatur“. Trump nannte Maduro einen „Diktator“. Ein Lateinamerika-Korrespondent
der FAZ namens Rüb befürchtet, es
könnte Maduro gelingen, „nach dem Vorbild des kommunistischen Regimes in
Havanna ein Stahlgitter der Unterdrückung über sein Volk zu legen und in
Venezuela eine sozialistische Diktatur zu errichten.“ Die Constituyente bedrohe
das Parlament als „das letzte institutionelle Refugium, aus dem die Opposition
noch nicht vertrieben wurde.“ (1.8.) Laut Onlineausgabe der Zeit befürchten die „Regierungsgegner“,
die per Video in martialischer Ausrüstung zu sehen sind, „ein Ende der
Gewaltenteilung aus Legislative, Exekutive und Judikative.“ (5.8.)
Ist da was dran? Die Opposition ist seit 1999 kaum mit anderem
beschäftigt, als mit Amtsenthebungsversuchen gegen direkt gewählte Präsidenten,
ob Chavez oder Maduro (= Exekutive). Ihr Putsch 2002 misslang. Seither versucht
sie es mit Wirtschaftssabotage, Demonstrationen, Straßenkämpfen, mit vom Unternehmerverband
gestützten Generalstreiks, mit Propaganda der Massenmedien im Privatbesitz, mit
Überfällen auf Lebensmittellager und immer häufiger mit Brandstiftung und Mord.
Seit der Wahl 2015 liegt die oppositionelle Parlamentsmehrheit im Dauerstreit
mit dem Obersten Gerichtshof (= Judikative) und der Wahlbehörde CNE. Die CNE
ist nach der Verfassung von 1999 ebenfalls eine Säule der Gewaltenteilung. Der
Streit entzündete sich an drei von der CNE nicht anerkannten Parlamentssitzen. Sie
gäben der Opposition die Möglichkeit, den Obersten Gerichtshof mit Richtern zu besetzen,
die ihr genehm sind. Entsprechend wählte das Oppositionsparlament am 18. Juli die
33 Richter für ein Parallelgericht. Die „Opposition“ verteidigt keine
Gewaltenteilung. Die Großunternehmer, Kuba-Hasser und Freunde der USA wollen
die ganze Macht.
UZ-Kolumne von Beate Landefeld vom 11.8.2017
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