Freitag, 7. Juli 2017
Wir Europäer
Durch Russlandsanktionen und Ölpreisverfall haben sich die
deutschen Exporte nach Russland halbiert. 2016 wurde die Phase rückläufiger
Ausfuhren aber durchschritten, mit 0,3 Prozent Minus auf Jahressicht. Laut
Umfrage unter in Russland aktiven deutschen Unternehmen erwarten 63 Prozent
2017 steigende Umsätze. Es zahle sich aus, so DIHK-Außenwirtschaftschef Volker
Treier, „dass Politik und Wirtschaft trotz Sanktionsregimes die Gesprächskanäle
immer offengehalten haben“. Der deutsch-russische Handel beträgt das zehnfache
des USA-Russland-Handels. Entsprechend größer war der Schaden durch die Sanktionen.
Trotzdem beugte sich das deutsche Monopolkapital dem „Primat der Politik“ und ordnete
sein kurzfristiges ökonomisches Interesse der politischen Strategie des
deutschen Imperialismus, wie sie 2013 in der Studie „Neue Macht – neue
Verantwortung“ artikuliert wurde, unter.
Diese Strategie war noch nicht gesetzt als die Ostseepipeline
Nord Stream gebaut wurde und 2011 mit zwei Röhren in Betrieb ging. An der Betreibergesellschaft
hält Gazprom 51 Prozent, Wintershall und EON je 15.5 Prozent, je 9 Prozent Gasunie
und ENGIE. Das von Putin und Schröder geförderte Projekt liefert Gas an Deutschland
und die EU. Es umgeht die wegen politischer Konflikte unzuverlässigen Trassen durch
Polen, das Baltikum, Tschechien, die Slowakei, Weißrussland und die Ukraine. Deutsche
und westeuropäische Energiekonzerne stärken durch die Kooperation mit Gazprom
ihre Monopolstellungen. EON und Wintershall sind an russischen Gasfeldern
beteiligt. Polen, die Ukraine und andere Länder sehen die Kooperation als einen
feindlichen Akt, der ihre Transitgebühren schmälert und ihnen ein Druckmittel nimmt.
Die USA unterstützen diese Vorbehalte. In der EU ist die Ostseepipeline
umstritten.
Im Zuge der Ostexpansion von NATO und EU, die 2014 den Ukrainekonflikt
forcierten, eskalierte die Konfrontation mit Russland. Seither wird das Land regelmäßig
mit Sanktionen „bestraft“. Aus Russland kommt ein Drittel der EU-Gasimporte. Die
USA bieten durch Fracking gewonnenes Flüssiggas als Alternative an. Die
EU-Kommission drängt auf weitere Diversifizierung. Davon unbeeindruckt begann der
Bau zweier zusätzlicher Röhren der Ostseepipeline. Anteilseigner der
Projektgesellschaft Nord Stream 2 ist nur noch Gazprom. ENGIE, Shell, die
österreichische OMV, Wintershall und Uniper wollen aber die Hälfte der
Baukosten finanzieren. Genau dagegen hat der US-Senat am 15. Juni 2017 ein
mächtiges Geschütz aufgefahren. Republikaner und Demokraten beschlossen gegen
nur 2 Stimmen neue Iran- und Russland-Sanktionen, denen das Repräsentantenhaus
noch zustimmen muss. Danach drohen deutschen und europäischen Unternehmen auf
dem US-Markt Strafen, wenn sie sich an Vorhaben wie Nord Stream 2 beteiligen
oder diese finanzieren.
BRD-Außenminister Gabriel und Österreichs Kanzler Kern, protestierten
gegen „völkerrechtswidrige, extraterritoriale Sanktionen“. Der Absatz von
nordamerikanischem Flüssiggas ließe sich so nicht ankurbeln. Der CDU/CSU-Wirtschaftsflügel
und die Kanzlerin sahen das genauso. Dagegen warf der notorisch russophobe CDU-Scharfmacher
Röttgen Gabriel vor, sich im Ton vergriffen zu haben. Die SPD verkomme zur
Gazprom-Lobbyistin. Noch vor Kurzem bejubelten US-Medien, die den Demokraten
nahestehen, die Bierzeltrede Angela
Merkels, in der sie klagte, dass die „Zeiten, in denen wir uns auf andere
völlig verlassen konnten, ein Stück weit vorbei“ seien und "wir Europäer“ unser
Schicksal „wirklich in unsere eigene Hand nehmen“ müssten. Darunter verstehen die
US-Demokraten offenbar etwas anderes als Merkel, die Nord Stream 2 als „rein
wirtschaftliches Projekt“ herunterspielt. Bleibt das US-Repräsentantenhaus hart
und steigen die westeuropäischen Konzerne aus der Nord-Stream-2-Finanzierung aus,
stehen laut russischen Medien chinesische Investoren bereit.
UZ-Kolumne von Beate Landefeld vom 7. Juli 2017
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