Freitag, 10. Mai 2019
„Friedlich“ oder Beihilfe zur Eskalation?
Am Tag des jüngsten Putschversuchs in Venezuela, am 30.
April, traf sich Heiko Maas mit dem faschistischen Präsidenten Brasiliens Jair
Messias Bolsonaro. Während der selbsternannte venezolanische Interimspräsident
Guaidó wieder einmal zur Spaltung der Armee aufrief und seine Anhänger mit
Brandfackeln und Molotowcocktails ausgerüstet in den Straßenkampf zogen, schloss
Maas vor der konterrevolutionären Gewalt die Augen und deklarierte: „Unsere
Unterstützung für Juan Guaidó hat sich in keiner Weise geändert“. Er hoffe,
dass die Lage friedlich bleibe. Sein frommer Wunsch erscheint bei gleichzeitiger
Unterstützung des Putschisten, der einen Dialog stets ablehnte und allein auf Gewalt
und militärischen Verrat setzt, unglaubwürdig. Guaidós in immer neuen Anläufen
versuchte Spaltung der Armee zielt vielmehr auf einen Bürgerkrieg. „Friedlich“ kann
die Lage in einem Land, gegen das die USA einen irregulären Krieg führen, schon
jetzt kaum noch genannt werden.
Solange Bundesregierung und EU der aggressiven
Regime-Change-Politik assistieren, fördern sie die Eskalation. Sie hegen die
Illusion, die die bolivarische Revolution unterstützenden Kräfte Venezuelas
würden im Fall des Putschs der Beseitigung ihrer sozialen und politischen
Rechte tatenlos zusehen. Die Bevölkerung Venezuelas ist jedoch, nicht zuletzt aufgrund
früherer Erfahrungen mit Putschversuchen, großenteils bewaffnet. Ihre
„zivil-militärische Einheit“ ist der Faktor, der den US-Imperialismus am ehesten
vom direkten militärischen Angriff abhält. Das stand sogar im Handelsblatt: „Im
Ausland haben viele der Regierungen, die Guaidó als legitimen Präsidenten
anerkannt haben, den Druck auf das Regime erhöht – vor allem die USA.
Doch viel machen können sie nicht […] Einen militärischen Eingriff in einem
Land, das doppelt so groß ist, als der Irak, mit einer schwer bewaffneten
Zivilbevölkerung würde Washington vermeiden wollen.“ Er hätte kaum Aussicht auf
Erfolg (HB, 1.5.2019).
Ersatzweise verhängte Trump Sanktionen gegen den
Außenminister Venezuelas und verschärfte die Sanktionen gegen Kuba. US-Offizielle
setzten Gerüchte in Umlauf, um das Scheitern des jüngsten Putschversuchs zu erklären
sowie Bevölkerung und Armee Venezuelas weiterhin zu verunsichern: Maduro sei
zur Flucht bereit gewesen. Russen und Kubaner hätten ihn überredet, zu bleiben.
Kubaner hinderten angeblich Soldaten am Überlaufen. Venezuelas
Verteidigungsminister, der Vorsitzende des Obersten Gerichts und ein Kommandeur
der Präsidentengarde verhandelten angeblich seit Monaten mit Guaidó über
Maduros Abgang, hätten aber im entscheidenden Moment ihre Handys abgestellt. „Doch
das klingt unwahrscheinlich und wirkt wie ein Bluff beim Pokerspiel“, meinte
dazu der Handelsblatt-Artikel (1.5.2019).
Nach dem Treffen mit Bolsonaro, dem Bewunderer der
brasilianischen Militärdiktatur, sprach Maas am 2. Mai in Kolumbien mit Guaidós
„Schatten-Außenminister“ Julio Borges. Borges war 2002 – ähnlich wie Guaidós in
der spanischen Botschaft untergekommener Mitverschwörer Lopez – schon am
Putschversuch gegen Hugo Chavez beteiligt. Am 10.4.2019 erschien ein Beitrag
von Borges mit dem Titel „Kuba hat Venezuela gekapert“ in der New York Times. Darin
forderte er, die „demokratischen Länder“ sollten ihren Druck auf Havanna
richten, um einen Wechsel in Venezuela zu erreichen. Borges legte Maas die
bessere Abstimmung der EU mit den USA und den rechten Regierungen
Lateinamerikas nahe. Maas versprach, die Anliegen der Putschisten in der EU zu
thematisieren. Zur gleichen Zeit protestierte die EU-Außenbeauftragte Mogherini
gegen die volle Aktivierung des Helms-Burton-Gesetzes durch Trump, womit Klagen
auch gegen EU-Firmen, die in Kuba investieren, zulässig sind.
Kolumne von Beate Landefeld erschienen in der UZ vom 10.05.2019
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