Freitag, 10. Januar 2020
Für einen „normalen“ Nationalstaat. Irak braucht Frieden und Souveränität
Im Irak-Krieg 2003 wurde der frühere Staatsapparat des Irak
zerstört. Unter dem Regime Saddam Husseins waren die Sunniten privilegiert, die
Schiiten unterdrückt. Seit Saddams Sturz wird der unter der US-Besatzung
gebildete Staatsapparat weitgehend von Schiiten getragen. Sie stellen
Zweidrittel der Bevölkerung. Der Iran, dessen theokratische Führung sich als Schutzmacht
der Schiiten sieht, gewann im Irak stark an Einfluss. Irans Einfluss steigerte
sich noch im Zuge der „Volksmobilisierung“ im Kampf gegen den IS. Dafür wurden Milizen
rekrutiert. Ihren Aufbau unterstützte auch der iranische General Suleimani. Laut
New-York-Times-Korrespondent David D. Kirkpatrik liquidierten die USA mit Suleimani
„einen der effektivsten Gegner des Islamischen Staats“, der mit Iran-gestützten
Milizen die Bodentruppen erheblich verstärkt habe, die den IS aus seinen Stützpunkten
in Syrien und im Irak vertrieben (5.1.).
Offiziell war Suleimani zu demselben Zweck im Irak tätig,
wie die 5000 US-Soldaten, die Kontingente der Anti-IS-Koalition und die 130
Bundeswehrleute: zur Bekämpfung des IS. Trump hält den IS bekanntlich für besiegt.
Jedenfalls meint er, parallel einen US-Krieg gegen den Iran führen zu können. Ungewollt
zeigt er, dass die offizielle Begründung für den Verbleib im Irak nur Vorwand
ist. So wie in Syrien, wo unter dem Vorwand, den IS zu bekämpfen, US-Truppen im
Land belassen werden, um Pfründe für US-Ölkonzerne zu sichern, um die syrische
Regierung zu schwächen und die Erholung des Landes zu behindern. Real geht es
beide Male um geopolitische Positionsgewinne und Kontrolle über Ressourcen.
Auch die BRD-Regierung will überall dabei sein, sei es am Persischen Golf, in
Nordsyrien oder im Irak.
Nach dem Mord an Suleimani erklärten Karrenbauer und Maas eilig,
die Irak-Mission der Bundeswehr aufrechterhalten zu wollen. Es gelte, den Irak
zu befähigen, sich selbst zu verteidigen und ihn nicht „Extremisten“ zu
überlassen. Die US-geführte Koalition setzte ihre Einsätze aus. Dann forderte
das irakische Parlament – laut deutscher Qualitätspresse „überraschend“ – das
Ende des US-geführten Einsatzes im Irak. Rücknahme des Hilfeersuchens, Abzug der
5000 US-Soldaten, Sperrung des Luftraums für ausländische Truppen wurden verlangt.
Kurz zuvor hatte Trump noch 3500 Mann Verstärkung in Kuweit einfliegen lassen. Kramp-Karrenbauers
Sprecher erklärte nun, die Bundeswehr bleibe im Irak, wenn die irakische
Regierung es wolle.
Wie Syrien und mehr noch Libyen gehört der Irak zu den
arabischen Ländern, deren Nationsbildung durch imperialistische Regime Change Attacken
um Jahrzehnte zurückgeworfen wurde. Gegenwärtig kämpft im Irak eine Massenbewegung
für einen „normalen Nationalstaat“ ohne konfessionell definierte Parteien und
Quoten-System, das Klientelismus, Korruption und Stagnation begünstigt. Sie fordern
die Trennung von Staat und Religion, bürgerlich-demokratische Rechte,
Investitionen in Bildung und Infrastruktur, mehr Gleichheit. Kritisiert werden
Zerstörung, Stagnation und Rückschritt der letzten 16 Jahre, dank derer das
Land heute von der Substanz zehrt. Bündnisse religiöser und säkularer Kräfte
sind möglich. Hohe Geistliche der irakischen Schiiten sind ohne theokratische
Bestrebungen.
Mehrheiten für die Verhinderung weiteren Staatszerfalls könnten
perspektivisch zustande kommen, vorausgesetzt, das Land versinkt nicht wieder im
Krieg. Die KP des Irak warnt dieser Tage davor, dass der Irak wieder zum
Austragungsort regionaler Konflikte wird, insbesondere zwischen USA und Iran.
Souveränität, Sicherheit und Stabilität des Irak und seiner unabhängigen
nationalen Entscheidungsfindung seien zu wahren. „Beziehungen mit anderen
Ländern müssen sich stützen auf die Interessen unseres Volkes und seinen freien
Willen“.
Kolumne von Beate Landefeld in der UZ vom 10.1.2020
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