Freitag, 8. Mai 2020
Trumps Labortheorie. Beschleunigter Hegemoniezerfall im Westen.
Trump attackiert die VR China wegen Covid-19: China habe
Informationen über das Virus „zurückgehalten“. Das Virus sei „absichtlich oder
irrtümlich“ aus einem Forschungslabor in Wuhan entwichen. Trump setzte die
US-Geheimdienste darauf an, seine Labortheorie zu untermauern. Australiens
Premier Morrison will sogar Schadensersatz von China. Deutsche Qualitätsmedien sehen
in Trumps Schuldzuweisungen „eine Taktik, um von den präzise dokumentierten
Versäumnissen der eigenen Administration abzulenken“ (SPON, 30.04.2020). Das hindert
dieselben Medien keinesfalls, die entfesselten Gerüchte ihrerseits zu befeuern.
Jede noch so absurde Spekulation aus Washington wird zelebriert und mit eigenen,
vermeintlich „bohrenden Fragen“ an China gewürzt. Maas fordert transparente
Aufklärung über den Ursprung des Virus. CDU-ler und Grüne wollen eine „internationale
Untersuchung“.
In der Realität forschen Virologen längst international über
den Ursprung des Virus. Einer ist der deutsche Professor Christian Drosten. Er
ist Mitunterzeichner einer Erklärung von Forschern aus vielen Ländern, die in
der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet erschien. Der umständliche
Titel: „Statement in support of the scientists, public health professionals,
and medical professionals of China combatting Covid-19“ (Unterstützungserklärung
für die Wissenschaftler, Mitarbeiter des Gesundheitswesens und Mediziner
Chinas, die im Kampf gegen Covid-19 stehen). Die Erklärung würdigt den Einsatz
der chinesischen Kollegen, „um den Erreger zu identifizieren, wirksame
Maßnahmen gegen seine Ausbreitung zu ergreifen und ihre Ergebnisse auf
transparente Weise mit der globalen Gesundheits-Community zu teilen“.
Der transparente Datenaustausch werde durch „Gerüchte und
Fehlinformation über die Ursprünge des Ausbruchs“ bedroht. „Wir stehen zusammen,
um Verschwörungstheorien, wonach Covid-19 keinen natürlichen Ursprung habe, klar
zu verurteilen,“ heißt es im Statement. Forscher vieler Länder seien zu dem
Schluss gekommen, „dass dieses Coronavirus, wie viele andere neue Pathogene,
von Wildtieren kommt.“ Man teile die Aussage des Generaldirektors der WHO, dass
wissenschaftliche Evidenz und Einigkeit Vorrang haben vor Desinformation und Vermutungen.
Verschwörungstheorien, Gerüchte und Vorurteile gefährdeten die nötige globale
Kooperation im Kampf gegen das Virus. (The Lancet, 19.2.20 online; Druckausgabe
7.3.20).
Trumps Bashing gegen China und gegen die WHO behindert die
internationale Kooperation. UN-Generalsekretär Guterres spricht von einer
„Dysfunktionalität in den internationalen Beziehungen“, wo die Koordination der
Strategien gegen die Seuche gefordert sei. Die imperialistischen Hauptmächte zeigen
in der Krise den Zerfall ihrer Führungsfähigkeit auf der Weltbühne. Die USA
fallen dank Trumps America-First-Politik und zum Leidwesen ihrer europäischen
„Partner“ als Führungsmacht aus. Doch auch das die EU dominierende Deutschland verhält
sich aus Sicht der Südeuropäer unsolidarisch und hat an Autorität verloren. Die
EU wird nicht einheitlicher, sondern zerstrittener aus der Krise hervorgehen.
China war als erstes Land von der Epidemie betroffen und wird
sie wahrscheinlich auch als erstes Land überwinden. Es konnte einer Reihe von
später betroffenen Ländern Hilfe anbieten. Im eigenen Land kam es
vergleichsweise glimpflich davon. Nach aktuellen Prognosen des IWF wird sich
China, sofern eine zweite Welle der Pandemie ausbleibt, früher vom
Wirtschaftseinbruch erholen als die Hauptmächte des Kapitals. Die „Coronakrise“
wird die schon länger vor sich gehende Verschiebung der ökonomischen
Kräfteverhältnisse in der Welt zugunsten der VR China beschleunigen. Dem wird
der Westen nicht passiv zusehen. Trumps China-Bashing wird noch an Fahrt
aufnehmen und die Herrschenden hierzulande werden dabei mittun.
Beate Landefeld (zuerst erschienen in der UZ vom 8.5.2020)
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