Freitag, 10. Juni 2022

Friedenslösung für die Ukraine? Fehlwahrnehmungen, Wünsche und Realität.

 

Als Ziele der Militäroperation in der Ukraine nennt die Russische Föderation die Hilfe für die Volksrepubliken Donezk und Lugansk sowie die Entmilitarisierung, Entnazifizierung und Neutralität der Ukraine. Darüber hinaus fordert sie Verhandlungen über ein Konzept gemeinsamer Sicherheit in Europa, anstelle einseitiger NATO-Ostexpansion. Aus dem Kreml verlautet, die Operation werde nicht enden, bevor die Ziele erreicht sind. Einige der Ziele sind in Reichweite: Das Territorium der Volksrepubliken Donezk und Lugansk ist fast vollständig befreit. Ein Großteil der militärischen Infrastruktur der Ukraine wurde zerstört, die ukrainischen Truppen massiv geschwächt. Mit der Kapitulation des Asow-Bataillons in Mariupol wurde eine Hochburg des Nazismus zerschlagen. Den Hochburgen an anderen Orten droht dies noch.

Demgegenüber geht die NATO-Ostexpansion munter weiter. Ohnehin wischt der Westen die russischen Ziele als Propaganda vom Tisch. Lieber spekuliert man über die Ideenwelt Putins, der angeblich das „russische Imperium“ zurückhaben will. So lässt sich die Frage nach dem eigenen Anteil am Konflikt umgehen. Der alte Kurs auf Eindämmung Russlands und Chinas wird beibehalten und mit dem NATO-Eintritt Schwedens und Finnlands, mit Aufrüstung und Truppenverstärkungen im Osten forciert. Statt sich mit Koexistenz anzufreunden, wird das „Feindbild Russland“ vertieft. Unisono verkünden die Spitzen von USA, NATO und EU das Ziel der Schwächung Russlands, steigern ihre antirussischen Sanktionen und pumpen Geld und schwere Waffen in die Ukraine. Noch scheint ein Ende des Krieges nicht in Sicht.

Zugleich rücken die Truppen der Volksrepubliken und Russlands seit April langsam, aber stetig vor. Laut Selenskij beherrschen sie 20 Prozent des Territoriums der Ukraine. Dazu gehören im Süden die an die Krim grenzenden Oblaste Cherson und Saporischschja. Geht es nach Moskau, sollen deren Bürger über ihre Zukunft selbst entscheiden. Die Selenskij-Regierung will keine Friedensverhandlungen, solange das militärische Kräfteverhältnis nicht günstiger für sie ist. Dass Kiew die Offensive wiedererlangt, ist aber nicht wahrscheinlich. Nach der Kapitulation der Nazis in Asowstal ist nicht einmal ein Sieg Kiews an der Propagandafront gesichert. Das zeigt die Meldung der britischen Times, wonach die Asow-Verbände künftig auf ihr Nazi-Logo verzichten wollen. Begründung: Das Nazi-Logo nutze der „russischen Propaganda“.

Dazu die US-Bloggerin Caitlin Johnstone: „Es ist eben keine russische Propaganda, den bewiesenen Tatbestand zu beleuchten, dass Neonazi-Paramilitärs in der Ukraine wirken, die Waffen von den USA und ihren Verbündeten bekommen. Das Auswechseln des Symbols erfolgt nicht, um eine Fehlwahrnehmung zu korrigieren, sondern um eine korrekte Wahrnehmung zu vertuschen“ (consortiumnews 2.6.22).

Anders als vom Westen geplant, wirken auch die Sanktionen. China, Indien, viele arabische, afrikanische und lateinamerikanische Staaten beteiligen sich nicht daran. Russland hält wohl durch. Für die Volkswirtschaften und Bevölkerungen der NATO-Länder zeichnen sich hohe Belastungen ab. Größte Sorge der Bürger ist die Inflation, an zweiter Stelle die Kriegsgefahr. In den USA, wo im November Zwischenwahlen sind, bringen große Zeitungen Artikel über realistische Kriegsziele und Ausstiegsszenarien. Während Boris Johnson, Polen und die Balten-Staaten vor einem verhandelten „schlechten Frieden“ warnen, fordern Macron und Scholz Putin zum Gespräch mit Selenskij auf, der momentan gar nicht verhandeln will. In der Ampel ruft die grüne Kriegstreiberin nach einem „Siegfrieden“ der Ukraine und jammert über „Kriegsmüdigkeit“. Wir haben eine Außenministerin, die ihre Wünsche mit der Realität verwechselt. Hält sie die NATO tatsächlich für allmächtig? Umso härter wird der Aufprall.

Beate Landefelds Kolumne erschien auch in der UZ vom 10. Juni 2022

Keine Kommentare: