Freitag, 12. Mai 2017
"Führerin des Westens" - Wie Merkel die G20 vorbereitet
Nach der Saarland-Wahl haben die Medien den Schulz-Hype
abgeblasen. Im Rampenlicht steht die deutsche Rolle in der Welt, verkörpert
durch Merkel. Dass ausgerechnet im Wahljahr 2017 Deutschland Gastgeber der G20 ist,
ist kein Zufall. Eingestielt hat es Lars-Hendrik Röller, Merkels Vorbereiter
und Chefunterhändler für die G7- und G20-Gipfel. Man nennt die Chefunterhändler
Scherpas, nach dem Volk im Himalaya,
aus dem einst die Bergträger für
Expeditionen ins Hochgebirge rekrutiert wurden. Ökonomie-Professor Röller, Sohn
des früheren Vorstandssprechers der Dresdner Bank Wolfgang Röller und Bruder
des Leiters des ZDF-Studios in Washington Ulf-Jensen Röller, gehört von Geburt an
zu den oberen Zehntausend. Seit 2011 leitet er im Kanzleramt die Abteilung
Finanz- und Wirtschaftspolitik als Nachfolger von Merkels früherem Scherpa Jens
Weidmann, der nun Bundesbankpräsident ist.
Schon am 1.9.2015 pries die Wirtschaftswoche Röllers Erfolg beim Werben um die
G20-Präsidentschaft. Nicht nur sei das G20-Format heute bedeutender als die G7,
zudem „bietet es im Laufe einer Präsidentschaft zahlreiche Gipfeltreffen –
beste Gelegenheit für Kanzlerin Merkel, um sich im Wahlkampf als international
angesehene Staatsfrau zu präsentieren.“ Das war lange vor Brexit und Trump-Wahl,
den Ereignissen, die New York Times und
Financial Times bewogen, Merkel zur „Führerin
der westlichen liberalen Welt“ auszurufen. Derzeit bereitet Merkel die G20 mit
allerlei Treffen vor. Dazu gehört der Frauen-Vorgipfel W20 mit Ivanca Trump, Königin
Maxima der Niederlande, Christine Lagarde, dem deutschen Unternehmerinnenverband
und dem Frauenrat. Mit Konzernchefs fährt sie nach Saudi-Arabien, will dort,
wie es heißt, auch am „dicken Brett der Menschenrechte bohren“. Mit
öffentlicher Kritik hält sie sich zurück. Die Bundeswehr soll Militärkräfte für
das Land ausbilden, das gerade den Jemen bombardiert. Für Siemens und SAP springen
Abkommen zum Infrastruktur-Umbau und zur Digitalisierung Saudi-Arabiens heraus.
Anders verläuft Merkels Stippvisite bei Putin. Sie wirft
ihm Menschenrechtsverletzungen und hybride Kriegführung vor. Am Tag ihres Flugs
nach Sotschi malt Michael Sauda vom Hauptstadtbüro des Spiegel Angela Merkel als Star in der Serie „Ich zähme die
Populisten“. Wörtlich: „Nachdem sich die Kanzlerin in den ersten Folgen als
Dompteuse von Türkei-Autokrat Recep Tayyip Erdogan und US-Präsident Trump
gezeigt hat, trifft sie am Vormittag auf ihren wohl sinistersten Widersacher:
Kreml-Herrscher Wladimir Putin. Der frühere KGB-Agent spielt die Rolle des Finsterlings schon deshalb besonders
überzeugend, weil er sich gern mit entblößter Brust als besonders
gewaltbereiter Macho zeigt oder seine Hunde wehrlose Staatsgäste anknurren
lässt.“ Das ist die Selbstironie eines Qualitätsjournalisten, dessen Medien die
Zutaten zu dieser „Serie“ beständig anrühren. Während Merkel Putin trifft, verkündet
Tina Hassel, Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios und Mitglied der Atlantikbrücke
triumphierend, dass zwischen Merkels und Trumps Scherpas eine „Feinabstimmung“
der Haltung gegenüber Russland erreicht worden sei. Man sehe daher dem Treffen
Trump-Putin bei den G20 gelassen entgegen.
Bei den G20-Treffen sind die NATO-Mächte nicht unter sich,
wie bei den G7. In das Vertrauen der G7 hat sich Trump in Syrien und
Afghanistan zurückgebombt. Trumps angedrohte Einfuhrsteuern, seine Aufkündigung
des Pariser Klimaabkommens widersprechen den Interessen Chinas und der BRD. Wenn
Trumps und Merkels Scherpas zur „Feinabstimmung“ gegenüber China kommen, wird
es ihnen darum gehen, den Technologietransfer unter Kontrolle zu halten
(„Produktpiraterie“) und chinesische Firmen übernehmen zu können („weg mit dem
Joint-Venture-Zwang“). Das Thema „Nordkorea“ werden sie nutzen, um die
militärische Einkreisung Chinas zu forcieren.
Aus:
Unsere Zeit, 12.05.2017, Kolumne von Beate Landefeld
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