Freitag, 14. April 2017
Zulauf für SPD und CDU – kein Schwert gegen rechts
Aus Sicht von FAZ-Redakteur
Günter Bannas löste die Kanzlerkandidatur von Martin Schulz ein „Fest der
Demokratie“ aus. Die Parteien seien aus ihrer Lethargie erwacht. Die SPD
registriere Tausende neuer Mitglieder, auch die CDU gewinne dazu. Zwar seien
die Zahlen nicht mit denen aus den frühen siebziger Jahren zu vergleichen, als monatlich
(!) Zehntausende in SPD und Union eintraten, aber der Abwärtstrend der letzten
Jahre sei gebrochen. Erleichtert sieht Bannas im momentanen Zulauf zu den etablierten
Parteien den Beweis, dass diese auch heute „dem Volk nahe sein“ könnten. Das
Gerede von der „Krise der Volksparteien“ sei Schwarzmalerei. Die von Frankfurter
Anwälten initiierte Bewegung „Pulse of Europe“ trage ebenfalls zur
Revitalisierung bei. Angela Merkel schwärmt von „Pulse of Europe“: „Das ist
nicht gegen Politik gerichtet, das ist die notwendige, erfreuliche Ergänzung,
wenn Menschen sagen, das ist mir was wert,“ äußert sie bei einer Buchvorstellung.
Der Schrecken über das Brexit-Votum, über Trump, die Angst vor weiteren
Erfolgen von Rechtspopulisten, mobilisieren bisherige Passivbürger zu Demos und
an die Wahlurne. Anders als in den 1970ern, als auch die DKP Zulauf bekam, profitieren
zurzeit vor allem die seit Jahren schrumpfenden „Volksparteien“ SPD und CDU von
dem warmen Regen.
Wird diese
Mobilisierung den Rechtsextremen Boden entziehen, nicht zuletzt durch höhere
Wahlbeteiligung? Horst Seehofer, der laut Umfragen bei AfD-Wählern beliebter
ist als Frauke Petri, behauptet nach der Saarland-Wahl, es sei „nicht sicher,
dass die AfD in den Bundestag einzieht“. Bannas träumt in der FAZ von Ähnlichem.
Die etablierten Parteien könnten „mit den Mitteln eines demokratischen
Populismus wiederholen, was 1969 gelungen war“. 1969 wurde, entgegen allen
Erwartungen, der Einzug der NPD in den Bundestag verhindert. Das lag freilich nicht
am „demokratischen Populismus“ von SPD und CDU. Damals wuchs vielmehr rasant
die APO, eine außerparlamentarische Opposition, die auch von vielen
Gewerkschaftern mitgetragen wurde. Sie erstarkte im Kampf für ein NPD-Verbot,
gegen Notstandsgesetze und Große Koalition, forderte „Amis raus aus Vietnam!“,
Anerkennung der Ostgrenzen und Abrüstung. Parallel dazu drängten Teile des
Monopolkapitals auf Modernisierung, um das System besser an die Erfordernisse
der Produktivkraftentwicklung und an die internationalen Kräfteverhältnisse
anzupassen. So kam es zu der verbreiteten Reformstimmung, in der die NPD isoliert
und die CDU-geführte Regierung nach 20 Jahren abgelöst werden konnte. Die heutigen
Kräfteverhältnisse sehen anders aus.
Sollte die
nächste Große Koalition statt von Merkel von Schulz geführt werden, ginge die neoliberale
Politik weiter. Das deutsche Monopolkapital setzt unverändert auf das
Geschäftsmodell der Exportüberschüsse, trotz zunehmendem Protektionismus der
Schuldnerländer. Neue Privatisierungen sind bereits eingefädelt,
Rüstungsaufträge vergeben. Progressive Veränderung kann allein auf die
Aktivität der Bevölkerung bauen. In der Industriearbeiterschaft und ihren Gewerkschaften
überwiegt bisher die Anpassung an die Linie der Konzerne. Aktiver sind die
Beschäftigten in den sozialen Diensten. Außerparlamentarische Bewegungen sind –
mit Ausnahme der starken Bewegung gegen das TTIP - relativ zersplittert oder
schwach. Jahrzehnte neoliberaler Politik der großen Koalition von CDU/CSU, SPD,
Grünen und FDP bereiteten den Boden dafür, dass neben progressiven Bewegungen
zunehmend auch konservative und rechte Kräfte auf der Straße agieren. Die
Formierung eines Widerstands gegen den Neoliberalismus, der zugleich rechte
Ablenkungsmanöver isoliert und austrocknet, ist kompliziert. Die linken
Parteien und Organisationen, die ihn vorantreiben müssen, sind schwach. Trotzdem
ist es der einzige erfolgversprechende Weg aus dem Tief heraus.
Beate Landefeld
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