Freitag, 12. Januar 2018
Angst vor den chinesischen Digitalkommunisten?
In jüngster Zeit nehmen Alarmrufe der Freunde der
Kapitalherrschaft über die angebliche Bedrohung unserer Lebensweise durch den
chinesischen Kommunismus zu. Sigmar Gabriel versuchte vergeblich in allerletzter
Minute, die Übernahme der Roboterfirma Kuka durch chinesische Investoren zu
verhindern und mahnte bei der EU Abwehrpläne gegen solche Übernahmen an. Er beschwor
die Gefahr einer Spaltung der EU durch China, da chinesisches Geld im
Zusammenhang mit dem Seidenstraßenprojekt in süd- und südosteuropäische Länder
fließe, von denen einige durch EU-Austeritätsprogramme unter neoliberalem
„Reformdruck“ stehen. Anlass zur Beunruhigung war auch ein geheimnisvoller
chinesischer Großaktionär der Deutschen Bank, dessen Identität trotz Bemühungen
investigativer Journalisten zunächst nicht aufzuklären war.
All das findet FAZ-Mitherausgeber Holger Steltzner problematisch.
Die Globalisierung sei ohnehin auf dem Rückzug. In der Abschlusserklärung des
G20-Gipfels, sei statt von freiem nur noch von „fairem Handel“ die Rede. Von
der Globalisierung profitiere aber neben China kein Land so stark wie
Deutschland. Steltzner: „China hat dank der Öffnung der Wirtschaft in nur drei
Jahrzehnten Hunderte Millionen Menschen aus der Armut geholt. Eine größere
Erfolgsgeschichte in der globalen Armutsbekämpfung ist nicht bekannt.“ (FAZ
7.1.2018) Deutschlands Globalisierungsgewinne und Chinas Erfolg gegen die Armut
sind für Steltzner gute Gründe, um Wege zu suchen, die vermeiden, dass die Globalisierung
zurückgedreht und Protektionismus und Handelskriege wieder normal werden.
Was schlägt er stattdessen vor, um „Chinas Weg zur
Weltherrschaft“ (so der Titel) zu hemmen? Nichts Neues. Gemeinsam mit den USA müsse
Berlin in Peking immer wieder die „fehlende Reziprozität“ kritisieren und Druck
machen, damit ausländisches Kapital weniger Kontrollen unterliegt. Das heißt,
die Aufhebung des Joint-Venture-Zwangs zu fordern, was Frau Merkel ohnehin bei
jeder Chinareise tut. Steltzners Untersuchung macht westlichen Kapitalisten
nicht allzu viel Hoffnung auf Erfolg.
Chinas digitale Transformation schreite schneller voran als
die des Westens. Einkaufen im Internet, mobiles Bezahlen an allen möglichen
Orten seien in China selbstverständlich. In Guangzhou erprobe man eine
Gesichtserkennungs-Software, die den Personalausweis ersetzen soll. Entwickelt
werde ein „soziales Bewertungssystem“. Laut Steltzner soll es „die 1,4
Milliarden Einwohner der Volksrepublik zu sozialistischer Folgsamkeit zwingen.
Erstmals soll es sogar Strafen für Wohlhabende geben. Bürger, die allein in zu
großen Wohnungen leben oder ausländische Luxusautos fahren, sollen mit
Minuspunkten bestraft werden“. Schrecklich! Besuche bei der Großmutter im
Altersheim bringen Pluspunkte. Das darf man hiesigen Heimbewohner(innen) nicht
sagen. Experimente gab es im Sozialismus schon viele.
Vieles, was Kapitalisten fürchten, erfreut uns Kommunisten.
Steltzner: „In den neunziger Jahren öffnete sich Chinas Staatswirtschaft neuen
Unternehmensformen. Danach erlebten private und ausländische Unternehmen ein
rauschhaftes Wachstum in der Volksrepublik. Das verleitete viele Beobachter zum
Trugschluss, China nähere sich dem westlichen Leitbild an. Aber das Gegenteil
passiert. Die Kommunistische Partei will die Kontrolle über die
Privatwirtschaft wiedererlangen und sich dabei selbst disziplinieren.“ Die
Antikorruptionskampagne der vergangenen Jahre habe es für Unternehmer schwierig
gemacht, sich Einfluss bei Funktionären zu erkaufen. Die Partei habe ihre
Kontrollmechanismen deutlich verstärkt, denn in mehr als zwei Dritteln aller
Unternehmen mit Privatkapital existierten heute aktive Parteiorganisationen.
KP-Vertreter säßen nun nicht mehr nur in Betriebsgewerkschaften großer
Privatunternehmen, sondern auch in Leitungsfunktionen bis hin zu Aufsichtsräten
und Vorständen.
Kolumne von Beate Landefeld in der UZ vom 12. Januar 2018
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