Donnerstag, 7. Februar 2019
Rechtsbeugung ohne Skrupel – EU und Bundestag zu Venezuela
Beim laufenden Putschversuch in Venezuela will die
internationale Konterrevolution mit dem selbsternannten Interimspräsidenten
Guaidó eine Gegenregierung installieren. Mit Wirtschaftskrieg, politischem
Druck der USA, der EU, rechter Nachbarregierungen und durch Anheizen innerer
Unruhen soll Guaidó einen relevanten Teil der Armee auf seine Seite ziehen.
Trumps Haudegen Bolton und Pompeo sowie sein Einflüsterer Rubio, ein republikanischer
Senator für Florida, der sich als Exilkubaner ausgibt, haben Guaidós
Putschversuch von langer Hand mit vorbereitet. Bisher sind nur vereinzelt
Armeeangehörige den Lockrufen der „Opposition“ gefolgt. Der Putschversuch dürfte
sich daher in die Länge ziehen. Nach der Verfassung müsste ein
Interimspräsident, wäre er legitim, innerhalb von 30 Tagen Neuwahlen
durchführen. Dafür wollen die USA ihrer Marionette Guaidó die der
venezolanischen Erdölgesellschaft PDVSA im Wirtschaftskrieg geraubten Mittel zur
Verfügung stellen.
Während die US-Regierung schon des Öfteren signalisierte,
dass sie „alle Optionen“, inklusive der militärischen, „auf dem Tisch“ habe, lehnen
die Guaidó stützenden rechten Nachbarregierungen die Invasion Venezuelas bisher
ab, wohl aus Furcht, dass dies nicht ohne eine Destabilisierung ihrer eigenen
Länder abginge. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini verkniff sich die Anerkennung
Guaidós, da Griechenland und Italien nicht zustimmten. Ersatzweise stellten
sieben Willige, darunter Deutschland, Frankreich und Venezuelas
Ex-Kolonialmacht Spanien, Maduro das Ultimatum, er solle binnen einer Woche die
Neuwahl des Präsidenten ansetzen. Venezuelas Außenminister Arreaza nannte das
im UN-Sicherheitsrat „fast schon kindisch“. Maduro schlug stattdessen die
Neuwahl des Parlaments vor. Der EU-Ministerrat will 90 Tage lang
Verhandlungslösungen für Venezuela suchen. Das EU-Parlament, das in der
Außenpolitik nicht mehr zu sagen hat als das oppositionelle Parlament
Venezuelas, beschloss, Guaidó sei der „einzig rechtmäßige“ Interimspräsident
Venezuelas.
Zwischen der Anerkennung Guaidós, Ultimaten und Rufen nach
einer „Verhandlungslösung“ bewegte sich auch die Aktuelle Stunde des Bundestags
zu Venezuela. Niemanden störte es dabei, dass Guaidó und Trump Verhandlungen als
„Zeitverschwendung“ ablehnen. Gegen den Verdacht eines Redners der Linken, es
gehe den Befürwortern eines Regime Change nicht um Demokratie, sondern um Öl,
verwahrten sich CDU, CSU, FDP und SPD mit der Beteuerung, es gehe ihnen vor
allem um Rechtsstaatlichkeit gemäß der venezolanischen Verfassung. Jürgen
Haardt (CDU/CSU): „Die Verfassung Venezuelas steht auf der Seite des Parlaments
und des Parlamentspräsidenten. Den entsprechenden Artikel 233 hat der
Bundesaußenminister bereits zitiert: Der Parlamentspräsident ist
Interimspräsident, solange es keinen demokratisch gewählten Präsidenten gibt“
(Protokoll bei amerika21).
Falsch. John Laughland vom konservativen Ron Paul Institute
(USA) weist darauf hin, dass in Wirklichkeit Guaidó gegen Artikel 233 verstößt.
Artikel 233 nennt präzise sechs Umstände, unter denen die Amtszeit eines
Präsidenten gekürzt werden kann: Tod, Rücktritt, Amtsenthebung durch das
Oberste Gericht, medizinisch formell festgestellte und von Parlament und
Oberstem Gericht bestätigte Krankheit, Amtsverzicht durch Verschwinden,
Absetzung durch ein Referendum. Tritt einer dieser Fälle ein, geht das
Präsidentenamt laut Verfassung an die Stellvertreterin des Präsidenten, nicht
an den Parlamentspräsidenten. Nur falls ein Präsident keine Amtseinführung
absolviert hat, kann der Parlamentspräsident übergangsweise übernehmen.
Maduros Amtseinführung war am 10. Januar. Die „Rechtsstaatlichkeit“
der Mehrheiten in EU-Parlament und Bundestag erweist sich wieder einmal als
Bluff gegenüber der eigenen Bevölkerung, die die venezolanische Verfassung
nicht kennt. Die Verfassunggebende Versammlung Venezuelas antwortete der EU,
„dass keine ausländische Autorität und kein kolonialistisch aufdringliches
Organ mit imperialen Absichten das Recht hat, sich in die inneren
Angelegenheiten unseres Heimatlandes oder in die souveränen Entscheidungen
einzumischen, die das venezolanische Volk durch demokratische, freie,
universale, direkte und geheime Wahlen trifft, wie sie am 20. Mai 2018
durchgeführt wurden und bei denen Nicolás Maduro Moros für die Amtszeit 2019
bis 2025 zum Präsidenten der Republik gewählt wurde“ (Red Globe).
Kolumne von Beate Landefeld in Unsere Zeit vom 7.2.2019
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