UZ-Kolumne 13.3.2020 von Beate Landefeld
Freitag, 13. März 2020
Werben um Erdogan – wie Berlin in Syrien wieder mitreden will
„Das neue Syrien kommt aus Wilmersdorf“ – unter diesem Titel
schrieb die ZEIT am 12.6.2012: „Bei der Stiftung Wissenschaft und
Politik (SWP) hat sich seit Januar eine Gruppe von bis zu 50 syrischen
Oppositionellen aller Couleur geheim getroffen, um Pläne für die Zeit nach
Assad zu schmieden. Das geheime Projekt mit dem Namen ‚Day After‘ wird von der
SWP in Partnerschaft mit dem United States Institute of Peace (USIP)
organisiert, wie die ZEIT von Beteiligten erfuhr. Das deutsche
Außenministerium und das State Department helfen mit Geld, Visa und Logistik.“ Assad
zu stürzen, blieb Berlins hehres Ziel in bisher neun Jahren Krieg mit hunderttausenden
Toten. Allerdings gestand Angela Merkel kürzlich vor der CDU-Fraktion, es habe
sich gezeigt, dass „ein von außen initiierter Regierungswechsel in Damaskus
nicht möglich“ sei. Der Krieg habe nur zu einer „Radikalisierung“ geführt (Reuters,
3.3.2020).
Die Merkel-Regierung war Mitgründerin der „Freunde Syriens“.
Das Bündnis aus großen NATO-Staaten, Golf-Monarchien, den Saudis und der Türkei
stand den Anti-Assad-Kämpfern mit Geld, Logistik, Waffen zur Seite. Es
verbreitete über westliche Medien die Kriegspropaganda der Djihadisten. Über
die Türkei sickerten islamistische Kämpfer aus aller Welt nach Syrien: Bosnier,
Tschetschenen, Uiguren. Die Niederlagen der Anti-Assad-Kämpfer nach dem
Eingreifen Russlands bewirkten die Teilnahme der Türkei am Astana-Prozess, in
dem Russland, Iran und Türkei zunächst Waffenruhen und Deeskalationszonen für
abziehende Kämpfer vereinbarten. Das Interesse Erdogans am Astana-Prozess ist
die Sicherung seiner Mitsprache im Nachkriegssyrien, vor allem, um eine
kurdische Autonomie zu verhindern. Russland will Syriens territoriale
Integrität retten und einen ‚Staatszerfall‘ wie in Libyen verhindern.
Von der Deeskalation ausgenommen ist der Krieg gegen
terroristische Gruppen. Bei der Invasion der Türkei in Nordostsyrien rückten
Reste des IS und von Al-Qaida (HTS) in den türkischen Reihen mit ein. Erdogan schickt
nach wie vor Terroristen in den Kampf. Während der jüngsten militärischen
Eskalation in Idlib verschanzten sich russischen Angaben zufolge Terrorgruppen
hinter türkischen Beobachtungsposten. In den 24 Stunden nach Beginn der Moskauer
Waffenruhe griffen Terroristen 19mal Dörfer und Armeeposten im Süden Idlibs, in
Aleppo und Latakia an. Erdogan stimmt der territorialen Integrität Syriens verbal
zu, will aber „die Entstehung eines neuen Status für Idlib“. Merkel und
Karrenbauer zögerten nicht, Erdogan wieder einmal entgegen zu kommen, indem sie
eine „Schutzzone“ fordern, diesmal in Idlib.
"Ich hoffe, dass Erdogan versteht, dass Nato und EU im
Gegensatz zu Putin verlässliche Partner der Türkei sind", gab
Kramp-Karrenbauer zum Besten. EU und USA müssten „jetzt gleichzeitig noch mehr
Druck auf Putin und Assad ausüben, um einen Weg zur politischen Beendigung des
Krieges in Syrien zu eröffnen“ (ntv, 4.3.2020). Das neuerliche Werben um die
Türkei erfolgt hinter der Kulisse der Aussperrung tausender Einreisewilliger an
der griechisch-türkischen Grenze, wo die EU „kein zweites 2015 zulassen“ und
„Erdogans Erpressung“ nicht nachgeben will. Er habe Flüchtlingen falsche
Hoffnungen gemacht. Doch die Bild-Zeitung weiß: „Seit Tagen glühen die
diplomatischen Drähte, um das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen zu retten“. Erdogan
soll der EU die Flüchtlinge auch künftig vom Hals halten.
In Syrien geht es Berlin und Brüssel darum, den
Astana-Prozess durch ein Format abzulösen, in dem die EU mitreden kann. Putins
und Erdogans Waffenruhe wird kleingeredet. Sie werde nicht lange halten. Die
EU-Außenminister planen eine Geber-Konferenz für Syrien. Die Türkei und
Russland will man einladen. Ist man in den acht Jahren seit Wilmersdorf
bescheidener geworden? Freuen wir uns nicht zu früh.
UZ-Kolumne 13.3.2020 von Beate Landefeld
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