Freitag, 7. September 2018
Diesseits von Afrika
Ende August bereiste Angela Merkel erneut Afrika. Offizieller
Zweck ihrer Reise nach Senegal, Ghana und Nigeria waren Absprachen, wie sich
die Migration nach Europa verringern ließe. Bei ihrer vorherigen Afrikareise
hatte die Kanzlerin gedrängt, Routen durch Stacheldrahtzäune, Kontrollen und das
Abfangen von Migranten auf nordafrikanischem Boden zu sperren. Diesmal ging es,
wie es euphemistisch hieß, um die „Bekämpfung von Fluchtursachen“. Dazu brachte
Merkel Unternehmer mit, die in Afrika investieren sollen, damit Jugendliche mehr
Perspektiven in ihrer Heimat bekommen. Anreize will Berlin durch Investitionsförderung
und Beispiele direkter Organisierung von Ausbildungsplätzen vor Ort schaffen.
Erwähnt wurde ein Ausbildungsprojekt der Gesellschaft für internationale
Zusammenarbeit (GIZ) im Senegal. VW kündigte an, in Ghana und Nigeria
Montagewerke zu planen.
Merkel bat die gastgebenden Präsidenten, ihre Bürger von der
Migration in die EU möglichst abzuhalten und die, die trotzdem durchkommen,
schneller als bisher zurückzunehmen. Senegals Wirtschaft wächst derzeit mit 7-8
Prozent jährlich. Über die Hälfte der Bürger sind unter 18. Die
Jugendarbeitslosigkeit ist 60 Prozent. China hat im Senegal auf Gebieten wie Elektrizität,
Transport, Telekommunikation, Bildungs- und Gesundheitswesen viele Projekte
mitangestoßen und ökonomische Aktivitäten auch in den Dörfern angeregt.
Senegals Handel mit China beträgt 1,9 Mrd. Dollar. Mit der Bundesrepublik beläuft
er sich auf 155 Mio. Ghana wächst mit 8,4 Prozent noch schneller (Spiegel
Online 29.8.2018). 6500 Ghanaer studieren derzeit in China Medizin, Landwirtschaft,
Software Engineering (Global Times 26.8.2018). Die laut Deutschem Akademischen
Austauschdienst 700 jungen Leute aus Ghana, die es an deutschen Hochschulen gibt,
müssen viel Geld mitbringen, um zugelassen zu werden.
Nigeria ist das bevölkerungsreichste und neben Südafrika
wirtschaftsstärkste Land Afrikas. Haupteinnahmequelle ist das Öl, das der Staat
in Joint Ventures mit Shell, Chevron, ExxonMobil, Total, Eni fördert. Seit
Jahren gibt es Konflikte der Bevölkerung mit Shell wegen der Verseuchung des Nigerdeltas
durch Öllecks. 2014 brach der Ölpreis im Gefolge der Krise ein und mit ihm das
Wachstum. Im Norden Nigerias bekämpfen Militäreinheiten Nigerias, des Tschad, Nigers,
Kameruns und Benins die islamistische Terrorgruppe Boko Haram. Auch während
Merkels Besuch griff sie nigerianische Soldaten an. Nigerianer sind heute
hinter Syrern und Irakern die drittgrößte Gruppe der in Deutschland
Asylsuchenden. Während die Ölkonzerne Profite aus Nigeria ziehen und beitragen,
dass die Korruption im Staatsapparat wuchert, hat die große Masse der Bevölkerung
bisher nichts vom Ölreichtum des Landes.
Merkel bot nicht viel an in Afrika. Es ging bei der Reise weniger
um die Entwicklung Afrikas als um Vorzeigeprojekte für die Heimatfront und darum,
zögerliche deutsche Unternehmen rechtzeitig auf rasch wachsenden Märkten zu
platzieren. Immerhin bewirken die chinesische Konkurrenz und der Migrationsdruck,
dass auch die Bevölkerungen des Nordens die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung
von Nord und Süd zunehmend als Problem wahrnehmen. Man schaut näher hin, wenn von
vermeintlichen oder wirklichen Lösungen die Rede ist. Erst vor kurzem erpresste
die EU Ghana, ein neoliberales Wirtschafts-Partnerschafts-Abkommen (WPA) zu
unterzeichnen, das Dumping-Exporte der EU erlaubt und Ghana den Schutz einer
eigenen Industrie verwehrt. Inzwischen enthält die Berliner Koalitionsvereinbarung
die Absichtserklärung, die WPA „daraufhin zu überprüfen, ob sie der
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung dienen“. Um im Kampf gegen
Fluchtursachen, für Frieden und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung nicht nur
auf dem Papier voran zu kommen, wird auch künftig Druck nötig sein.
UZ-Kolumne von Beate Landefeld vom 7.8.2018
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