Freitag, 12. Oktober 2018
Ungeliebte GroKo. Die Merkel-Nachfolger scharren mit den Füßen
Zum „Deutschlandtag“ traf sich Anfang Oktober die Junge
Union. Der ungeduldige Nachwuchs der Hauptpartei des Monopolkapitals CDU/CSU forderte
für künftige Bundeskanzler eine Amtszeitbegrenzung von drei Legislaturperioden.
Angela Merkel absolviert ihre vierte Amtszeit, ist aus JU-Sicht also
überfällig. Falls die Landtagswahlen in Bayern und Hessen den Parteien der
GroKo so schwere Verluste bringen, wie erwartet, wird auch die
Nachfolgediskussion für den Parteivorsitz der CDU neu entbrennen. Merkel will im
Dezember nochmals für den Vorsitz kandidieren. Drei politisch Unbekannte kündigten
schon Gegenkandidaturen an. Bereits nach der Abwahl des Merkel-Vertrauten
Kauder vom CDU-Fraktionsvorsitz titulierte EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU)
Merkel als „lahme Ente“.
Der neue Fraktionsvorsitzende Brinkhaus kündigte nun an, er
wolle, auch gegen Widerstände aus der SPD, schneller die Rüstungsausgaben steigern.
Norbert Röttgen, einst Merkel-Zögling, heute russophober Scharfmacher, brandmarkte
die GroKo als „Regierungsform der systemischen Erschöpfung“. Die
innerparteiliche Kritik an Merkel kommt von rechts, von selbsternannten „moderaten
Konservativen“ und aus dem Wirtschaftsflügel, dem Merkel zu sozialdemokratisch
ist. Sie sagen zwar Ja zur GroKo, aber nicht um jeden Preis. Angela Merkel hat in
Interviews klargestellt, dass für sie Parteivorsitz und Kanzlerschaft
zusammengehören und sie als Kanzlerin für die ganze Legislaturperiode zur
Verfügung steht. Mit anderen Worten: Wagt der CDU-Parteitag im Dezember Merkel
zu stürzen, stürzt er auch die Große Koalition.
In CDU und CSU hoffen einige, eine CDU ohne Merkel könne sich
noch einmal an das 2017 verpatzte Jamaika-Bündnis wagen. Logisch, dass auf dem
Junge-Union-Treffen Merkel Lindner angriff. Die FDP habe 2017 keine Lust
gehabt, Verantwortung zu übernehmen. Sie habe staatspolitisch einen großen
Fehler gemacht. Lindner konterte umgehend, mit Merkel arbeite außer den Grünen
niemand mehr gern zusammen. Da den Grünen in Bayern wie in Hessen jeweils 18
Prozent prognostiziert werden, könnten sie für Regierungen der bürgerlichen
Mitte künftig unentbehrlich werden, während CDU/CSU und FDP allein auf keine
Mehrheit kämen. Im Bund hält Schäuble eine Minderheitenregierung für eine
Option, falls die SPD aus der GroKo aussteigen wolle. Das sind Signale gegen zu
große Zugeständnisse an die SPD.
In Sachsen zog der CDU-Fraktionsvorsitzende Hartmann eine
Koalition von CDU und AfD in Betracht. Merkel und Seehofer schlossen dies
umgehend aus. Schleswig-Holsteins CDU-Vorsitzender Günther brachte stattdessen
für den Osten Koalitionen der CDU mit der Linkspartei ins Spiel. Er wurde
ebenfalls abgewürgt. Klar wird: CDU und CSU wollen sich stärker rechts profilieren.
Sie wollen sich gegen die ohnehin nur kosmetisch gemeinten Sozial- und
Umweltforderungen der SPD Luft verschaffen und Rüstungssteigerungen zügiger
durchsetzen. Mit der SPD haben sie im Koalitionsvertrag für die Mitte der
Legislaturperiode die Überprüfung der GroKo vereinbart. Manche der in der CDU
konkurrierenden Aspiranten auf die Merkel-Nachfolge sehen diese Überprüfung als
Gelegenheit für einen Kanzler- und Koalitionswechsel.
Birgt ein verschärfter Rechtskurs der CDU/CSU die Gefahr
österreichischer Verhältnisse, wo Konservative mit Rechtspopulisten koalieren? Eine
solche Tendenz ist wirksam, ruft aber auch starke demokratische Gegenkräfte
hervor. In jüngster Zeit wurden in großen Demonstrationen gegen neue PAGs,
gegen rechte Hetze, in Aktionen gegen die Wohnungsnot, in den Kämpfen der
Pflegekräfte, in der Bewegung für den Hambacher Forst, in den Demos für Seenotrettung
und „Wir sind mehr“ Hunderttausende aktiv. Die Massenmobilisierung für soziale,
ökologische und demokratische Rechte kann die Rechtsentwicklung durchkreuzen,
bremsen und umkehren.
UZ-Kolumne von Beate Landefeld vom 12.10.2018
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