Freitag, 11. Oktober 2019
Klimapaket hilft Autoindustrie „grün“ zu werden
Zum klimaschädlichen CO2-Ausstoß trugen 2017 die Sektoren
Energiewirtschaft mit 39 Prozent, Industrie mit 22, Verkehr mit 20 und
Gebäudewirtschaft mit 17 Prozent bei. Energiesektor und Industrie, zusammen
Verursacher von über 60 Prozent des Ausstoßes, unterliegen seit 2005 dem
EU-Emissionshandel (ETS), in dem die Verschmutzungsrechte schrittweise
verknappt werden. In den Nicht-ETS-Sektoren Verkehr, Gebäudewirtschaft und
Landwirtschaft wird die BRD ihre Reduktionsziele 2005-2020 (-14%) und 2021-2030
(-38%) voraussichtlich verfehlen. Es drohen Strafen seitens der EU. Dazu kommt
der Imageschaden. Für das Verfehlen der Ziele im Nicht-ETS-Bereich ist primär
der Verkehr verantwortlich, in dem der CO2-Ausstoß trotz technischen Fortschritts
sogar anstieg. Grund ist das höhere Verkehrsaufkommen im Güter- und Personenverkehr.
Internethandel, immer höhere berufliche Mobilitäts- und
Flexibilitätsforderungen, das Zweitauto, bewirkten die Zunahme von PKWs und LKWs.
Relative Verwahrlosung und Schrumpfung von Schiene und ÖPNV gingen damit
einher. Die zunehmende Belastung von Gesundheit und Lebensqualität der
Bevölkerung, vor allem in Großstädten, juckte weder Regierung noch
Autokonzerne. Selbst mitten im Dieselskandal war deren Hauptsorge die
Vermeidung gerichtlich angeordneter Fahrverbote. So wie Frau Merkel in der EU
stets versuchte, ehrgeizige Ziele bei Schadstoffreduktionen zu verhindern, so
setzte sie sich gegenüber China noch 2017 für die Verschiebung der Einführung
verbindlicher Quoten von Elektroautos ein. Lange zögerten die deutschen Autokonzerne,
auf das Elektroauto zu setzen. Doch nun sehen sie es als Chance, nach Diesel-Betrug,
Skandalen und Prozessen mit Staatshilfe „grün“ zu werden.
Staatsmonopolistische Gremien aus Regierungsvertretern, dem Verband
der Automobilindustrie (VDA), der Elektroindustrie (VDE) und des BDI arbeiten
schon länger an Konzepten, mit welcher Infrastruktur und Ordnungspolitik
Deutschland zum „Leitmarkt“ im Segment Elektroautos werden könnte. Die Studien kann
man auf der VDA-Homepage lesen. Ihre Essenz ging in das Klimapaket der
Regierung ein. Die Passagen zur Elektromobilität sind die konkretesten im ganzen
Paket. Angekündigt werden darin u.a. ein „Masterplan Ladesäuleninfrastruktur“
und die Bildung einer „Nationalen Leitstelle Elektromobilität“. Bis 2030 sollen
7 bis 10 Millionen Elektrofahrzeuge auf die Straßen gebracht werden (heute ca. 200000).
Deutlich wird, dass der Privat-PKW, der trotz Abgasbetrug immer noch der
Exportschlager der größten deutschen Konzerne ist, seine zentrale Stellung für
die Mobilität im Land behalten soll.
Der Begriff „Verkehrswende“ taucht im Klimapaket
ehrlicherweise nicht auf. Gemessen an den infrastrukturellen, steuerlichen und
ordnungspolitischen Fördermaßnahmen für das Elektroauto (zum Teil auch für andere
dekarbonisierte Kraftstoffe) wirkt die Förderung, die dem ÖPNV und der Bahn zugutekommen
soll, ziemlich bescheiden. Dazu passt, dass kurz nach Verkündung des
Klimapakets große Verkehrsverbünde Preiserhöhungen im Nahverkehr ankündigten. Der
SPD-Vorschlag eines ÖPNV-Jahrestickets für 365 Euro – angesichts von
Nulltarifforderungen in vielen Städten eine mickrige Idee – wurde im Klimapaket
auf 10 Modellprojekte abgespeckt. Mit dem Argument, die Züge seien schon heute
überfüllt und niedrigere Preise daher kontraproduktiv, lehnte der Hamburger
Verkehrsverbund diese Idee bereits ab.
Neoliberale Marktfixierung, Unterordnung unter die Profiinteressen
des Großkapitals einer autozentrierten Volkswirtschaft halten die „politische
Klasse“ auf der Spur des „Weiter so“. Ob ohne reale Verkehrswende die
Klimaziele erreichbar sind, ist völlig ungewiss. Klar ist, dass die Bevölkerung
mit dem Klimapaket höhere Kosten, aber nicht die Lebensqualität bekommt, die
eine echte Verkehrswende mit sich brächte.
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